Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
Teich wurde ein beliebter Treffpunkt bei den Jugendlichen, die dort künftige Jugendliche produzierten, die dann ihrerseits das Dorf verließen und woanders ihr Glück machten.
Neal und Allie aber hatten keine Ahnung davon und nannten den Teich einfach »den Teich«. Sie schwammen und sonnten sich. Neal entkleidete sich nur bis auf seine Boxershorts, die er in einer Kommode gefunden hatte. Seine Schüchternheit war echt. Neal mochte sich nicht vor Allie ausziehen, zumal sie das mittlerweile ohne jede Scham tat. Sie war sich ihrer Wirkung auf ihn wohl bewußt und kannte die Gründe nur zu gut, warum er an der dünnen Fassade der lächerlichen Shorts festhielt und hüfttief im Wasser blieb, wenn sie sich auf einem natürlichen Steinsockel sonnte, der sich aus dem kühlen Blau des Teiches erhob. Sie dachte an all die Jungen, die es nicht hatten abwarten können, ihr ins Höschen zu fassen, und nun war hier einer, den sie nicht dazu bringen konnte, seins auszuziehen.
Sie flirtete mit ihm, sie spielte, sie fühlte sich unglaublich attraktiv. Sie sonnte sich in seiner Bewunderung. Für Allie war Sex immer nur Mittel zum Zweck gewesen: etwas, das sie gegen Geld oder Leidenschaft eintauschte, Aufmerksamkeit oder Rache. Jetzt genoß sie die süße Sehnsucht, die quälende Langsamkeit der gegenseitigen Entdeckung, die stumme Musik ihres verliebten Körpers. Nach einem kurzen, kalten Bad legte sie sich auf den Stein und ließ sich von den Strahlen der Sonne wärmen – und dabei spürte sie, wie seine Hitze sie erfüllte, er ließ sie schmelzen und schmolz in ihr. Sie tat so, als ob sie schliefe, öffnete ihre Augen nur einen Spalt und beobachtete ihn, wie er heimlich sie beobachtete. Das wird dir nicht helfen, Neal, das wird dich nicht retten, aber mach nur weiter. Sie lachte leise in sich hinein. Manchmal schlief sie ein wenig. Wenn sie aufwachte, lag er auf einer kleinen Anhöhe, las in einem Buch und versuchte, sie nicht anzusehen, anzustarren. Sie wußte es, wußte es mit der unfehlbaren weiblichen Weisheit, die das Leben erst möglich macht, wußte, daß er schließlich zu ihr kommen würde, in sie kommen würde. Dafür war noch genug Zeit, und sogar das Warten war wunderschön, der sanfte Schmerz des Verlangens. Sie liebte ihn, und sie hatte es nicht eilig.
Für Neal war der Teich zu einem Symbol für sein Dilemma geworden: Das Wasser als die kühle Realität und der glitzernde Felsen mit dem nackten Mädchen als der sonnige Traum des Verlangens. Allies Sirenen-Gesang. Allein der Anblick ihrer Haut, auf der die Sonne spielte, machte ihn benommen. Er hatte das nicht mehr seit Diane gespürt. Hey, dachte er, vor Diane auch nicht.
Es macht die Sache komplizierter, dachte er, und es ist alles schon kompliziert genug. Du kannst dich später darum kümmern. Jetzt hast du noch fünf Tage, damit es klappt. Fünf Tage. Viel zu tun: Mit Dr. Ferguson wegen des Buches reden… mit Allie den Flieger besteigen… verschwinden. Das würde das Schwierigste werden, mit Levine auf den Fersen.
Joe Graham hockte in Chases Hotelsuite und hörte zu.
»Ich wollte dieses Kind nicht losschicken«, brüllte Chase. »Aber Sie wußten es ja besser. Er ist der Beste. Der beste was? Schwachkopf? Klugscheißer? Gentlemen, sehen wir den Tatsachen ins Auge. Er wird nicht zurückkommen, und er wird ganz sicher nicht meine Tochter zurückbringen!«
Sein Gesicht war rot. Idiot, dachte Graham.
»Wir sollten besser über Schadensbegrenzung nachdenken, Gentlemen«, sagte Lombardi.
Das kannst du bestimmt gut, dachte Graham.
Levine war zäh. »Wir haben noch vier Tage. In vier Tagen kann eine Menge passieren.«
Hoffen wir das, Ed, dachte Graham. Hoffen wir’s.
Lombardi lachte und sagte: »Sie haben seit Wochen nichts von diesem Carey gehört, und hören Sie bitte damit auf?«
»Womit?« fragte Graham.
»Ihre künstliche Hand in der anderen zu reiben. Das macht mich wahnsinnig.«
»Ich tue das immer, wenn ich mir Sorgen mache, und ich mache mir Sorgen um Neal.«
»Machen Sie sich lieber Sorgen um ihn, falls ich ihn je in die Finger kriege«, röhrte Chase.
Leck mich am Arsch, dachte Graham. Ihr alle. Neal hatte Allie, und jetzt ist er verschwunden, und einer von euch hat dafür gesorgt. Und ich glaube, ich weiß, wer. Wenn meinem Jungen etwas passiert ist… wenn mein Junge tot ist…
Er rieb seine künstliche Hand in der anderen und starrte Rich Lombardi an.
Nach einem besonders angenehmen Nachmittag am Teich war Allie sich
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