Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
sicher gewesen, daß Neal sie diesmal berühren würde. Sie konnte ihn spüren, auf dem Fels über ihr, konnte seine Blicke spüren und seine Erregung. Sie konnte schon fühlen, wie seine Hände sie streichelten, wie sie ihn an sich heranzog, sie wußte, daß er kommen würde, kommen würde, jetzt… als er aufstand und ins kalte Wasser sprang. Dieses Mal ärgerte sie sich darüber und schwieg auf dem Rückweg ins Landhaus. Sie aßen stumm zu Abend. Sie ging ohne ein weiteres Wort zu Bett und starrte lange Zeit den Türknauf an. Wollte, daß er sich drehte.
Als er es tat, blieb Neal in der Tür stehen.
»Wir fahren«, sagte er. »Morgen, nach dem Frühstück.«
»Ich will nicht.«
»Ich frage dich aber nicht. Es ist Zeit.«
»Es ist Zeit für eine Menge Dinge.«
Dann drehte er sich um und zog die Tür hinter sich zu.
Der Nachtwind schnitt in Colins Gesicht, aber er dachte nicht daran, zu bremsen. Der Schmerz war nicht unangenehm – er half ihm, sich zu konzentrieren. Dickie Huans Handlanger hatten ihn sorgfältig zusammengeschlagen. Aber er würde sie noch mal Wiedersehen, später, in seinem Revier, und dann würden ihnen ihre kleinen Wurstfinger gar nichts nützen.
Aber das hatte Zeit. Jetzt mußte er erst mal mit Alice und seinem alten Freund Neal abrechnen. Er hatte lange reden müssen, um Dickie dazu zu bringen, ihn allein gehen zu lassen. Das gottverdammte Schlitzauge hatte eine ganze Armee ausschicken wollen, aber Colin hatte ihm klarmachen können, daß eine Bande Chinesen in einem Dorf in Yorkshire möglicherweise unnötiges Aufsehen verursachen könnte. Davon abgesehen war das Buch zwar Business, der Mord an Neal aber Privatsache. Und Alice umzulegen, war ein nettes Hobby. Vielleicht würde er sich auch großzügig zeigen und sie Dickie überlassen.
Er stellte sich Neal und Alice im Bett vor. Das ließ ihn seine Beulen und Quetschungen vergessen. »Träumt schön, ihr Lieben!« schrie er in den Wind. »Colin ist auf dem Weg!«
33
Neal stand früh auf und suchte seine paar Sachen zusammen. Er legte den Pickle in den Aktenkoffer und schloß ihn ab. Er ließ sich ein kaltes Bad ein, wusch sich schnell, dann machte er Wasser heiß, um sich zu rasieren. Er hörte Allie aufstehen. Sie kam die Treppe herunter und huschte ohne ein Wort an ihm vorbei in die Küche. Sie stellte Wasser für ihr Bad auf den Herd und sah aus dem Fenster.
»Guten Morgen«, sagte Neal.
Sie antwortete nicht.
»Sprichst du nicht mit mir?«
»Wie fühlt sich das an?«
Dann schleppte sie den Eimer nach draußen, kippte das Wasser in die Wanne, streifte ihre Klamotten ab und stieg hinein. Die kalte Luft schien sie nicht zu stören; sie ließ sich Zeit beim Baden.
Als sie wieder hereinkam, saß Neal am Tisch und las in einem alten Taschenbuch. Allie ging in die Küche, holte Brot und Eier aus der Speisekammer und machte Frühstück. Sie schob Neal einen Teller hin und sagte: »Wir fahren also heute?«
»Ja.«
»Und ich? Habe ich nichts zu sagen? Ich dachte, ich wäre dein Partner?«
»Juniorpartner.«
»Fünfzig-fünfzig Partner.«
Er sah sie an. »Laß das doch.«
So einfach kommst du mir nicht davon, Neal, dachte sie. Ich habe Colin nicht für einen anderen von derselben Sorte verlassen. Du wirst mich nicht so behandeln.
»Nein, Neal«, sagte sie, »laß du es. Ich will wissen, wie es weitergeht. Was wir machen, wenn wir in den Staaten sind.«
»Du kriegst sechzehntausend Dollar.«
»Ich meine, was wird aus dir und mir?«
Oh, Allie, nicht jetzt, dachte er. Gib mir nur noch ein paar Tage. Vertrau mir.
»Lassen wir uns doch einfach Zeit, okay?«
»Zeit? Haben wir uns etwa keine Zeit gelassen?«
»Dann bleiben wir doch dabei.«
»Vielleicht nehm ich auch einfach mein Geld und hau ab.«
Er sah wieder von seinem Teller auf. Blickte in ihre Augen. »Wenn du willst, Allie. Wenn du willst.«
Sie aß ein paar Happen Toast, dann fragte sie: »Warum willst du nicht mit mir schlafen?«
»Mein Gott, Alice«, brachte er hilflos hervor.
»Warum?«
»Ich finde nicht…«
»Du findest mich nicht attraktiv.«
»Ich finde dich sehr attraktiv.«
»Was ist es dann?«
Er ließ sich Zeit. »Ich weiß nicht, wie ich das erklären…«
Sie verstand, sie verstand falsch, aber sie klammerte sich daran, und es tat weh. »Es ist wegen meines Vaters, nicht? Deswegen!«
»Alice, das ist es nicht!«
»Ich hätte es dir nicht erzählen sollen!«
»Doch. Ich bin froh, daß du es mir gesagt hast.«
Auf ihrem Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher