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Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Titel: Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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waren die Qualen zu sehen. Sie versuchte es mit dem höhnischen Lachen, das sie so lange geübt hatte, aber es funktionierte nicht. Sie schrie ihn an: »Ich dachte, du liebst mich!«
    »Ich…«
    »Aber du kannst keine Junkie-Nutte lieben, die ihren eigenen Vater gefickt hat!«
    Er versuchte, es ihr zu erklären, ihr zu sagen, daß…
    Aber sie war schon zur Tür hinausgestürmt.
    Laß sie gehen, dachte er. Laß sie sich abregen. Sie kommt nicht weit. Laß sie eine Weile allein.
     
    Colin hatte sich verfahren. Diese Feldwege sehen doch alle gleich aus, dachte er, und es gibt keine Schilder. Er warf einen Blick auf Simons Wegbeschreibung, als er einen kleinen, kläffenden Hund auf sich zurennen sah.
    »Jim!«
    Colin hörte die Stimme, bevor er den alten Mann sah. Der Hund hielt an, setzte sich, wedelte mit dem Schwanz.
    Schon besser, dachte Colin.
    Bis er die Flinte sah.
    »Wer sind Sie denn?« fragte ihn der alte Mann.
    »Guten Morgen«, sagte Colin so höflich er nur konnte. Er versuchte zu lächeln. »Ich habe mich verfahren.«
    Der alte Mann lächelte nicht zurück. Er sieht die Beulen und Schnitte in meinem Gesicht, ging es Colin durch den Kopf.
    »Bin mit dem Motorrad von der Straße abgekommen«, erklärte er und kicherte dümmlich. »Ungeschickt.«
    Der Alte lächelte immer noch nicht, und der Hund hatte aufgehört, mit dem Schwanz zu wedeln.
    »Konnte die Dinger noch nie leiden«, sagte der Alte. »Und, wer sind Sie nun?«
    Wenn ich die verdammte Kohle hätte, wäre ich Aga Khan, du dummer haariger Idiot. »Ich bin ein Freund von Simon.«
    »Sie sehen aber gar nicht wie ein Freund von Simon aus.«
    Colin wußte, wie man die Unterschicht behandeln mußte.
    »Egal«, sagte er und ließ das Schweigen den Rest sagen.
    »Simon ist außer Landes«, sagte der Schafhirte.
    »Kein Problem«, sagte Colin. »Ich möchte Neal und Alice besuchen. Würden Sie wohl wissen, ob die beiden da sind?«
    »Würde ich.«
    »Und könnten Sie mir sagen, wo das Cottage ist?«
    »Könnte ich.«
    Colin ließ die höfliche Grimasse der Ungeduld auf seinen Zügen aufscheinen… »Und…?«
    Der Schafhirte drehte sich um und zeigte ins Tal, und er ließ sich Zeit dabei – Zeit genug für Colin, den Schraubenschlüssel aus der Werkzeugtasche zu ziehen. 
     
    Laß sie eine Weile allein, dachte Neal wieder. Allie war vor ein paar Minuten gegangen.
    Genauso, wie du den Halperin-Jungen allein gelassen hast. Der arme, dumme Jason Halperin aus Cincinnati, den du auf der 23. Straße einkassiert hast. Du hast ihn mit ins Hilton genommen. Es war spät. Ihr wart beide hungrig, und der Zimmerservice hatte schon zu. Und Jason Halperin war so gefügig – beinahe erleichtert, gefunden worden zu sein –, daß du dachtest, du könntest ihn zehn Minuten allein lassen und schnell ein paar Sandwiches holen. Er glotzte irgendeinen Mist im Fernsehen, und du sagtest, du würdest die Tür von außen abschließen, was gar nicht geht, und du wärst gleich wieder da. Du hast dir nicht mal die Mühe gemacht, ihm Handschellen anzulegen, warum solltest du den armen Jungen schließlich noch mehr quälen? Und dann wurdest du so langsam bedient, daß du fast zwanzig Minuten wegbliebst, bevor du mit den Roastbeef-Sandwiches und den Colas zurückkamst, und dann hing der vierzehnjährige Jason Halperin von der Kleiderstange im Schlafzimmerschrank. Weil du ihn allein gelassen hattest und weil es Dinge gab, mit denen man ihn nicht hätte allein lassen dürfen. Du hättest es wissen müssen.
    Das Jaulen von Hardins Hund ließ ihn aufschrecken. Er nahm es als Zeichen. Nein, laß sie nicht alleine. Geh sie suchen – jetzt. Neal hastete zur Tür.
    Der Griff der Flinte erwischte ihn direkt unter dem Brustkorb. Er stürzte auf die Knie und rang nach Luft. Er konnte kaum den Kopf heben, um Colin zu sehen, Allie wie erstarrt neben ihm.
    »Gehen wir doch rein und reden über alles«, sagte Colin.
    Er scheuchte Allie mit der Flinte vor sich her und ließ sie sich auf einen der Küchenstühle setzen. Dann ging er wieder raus und drückte den Lauf der Flinte unter Neals Kinn. »Kommst du nich hoch, Mann? Soll ich dir helfen, ja?«
    Neal rappelte sich auf, stolperte hinein und ließ sich in den nächstbesten Stuhl fallen. Seine Rippen schmerzten, und er hatte Schwierigkeiten zu atmen.
    »Das Wichtigste zuerst«, sagte Colin. »Wo sind die Bücher?«
    »Im Schlafzimmer«, sagte Neal. Er erkannte Hardins Waffe.
    »Ja, stimmt, Neal. Ich dachte erst, das andere Haus wär euer Versteck.

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