Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
so erzogen worden, nicht nur seine eigene Welt zu sehen, sondern auch die danach? Sie haben damals anders über Leben und Tod, Belohnung und Sühne gedacht als heute. Seine Dämonen triefen vor Schadenfreude, während sie ihre unglückseligen menschlichen Opfer quälen.« Er kicherte. »Ich meine, niemand in der Hölle soll glücklich sein. Oh, Claire, Bosch ist ein geniales Genie! Seine Arbeit, seine Arbeit –«
»Das erzählst du mir immer«, sagte sie trocken.
Der Hund Biddy kam herüber und legte seinen Kopf auf Claires Schoß. Ihre langen, schlanken Hände streichelten ihnzwischen den Ohren, bis er die Augen schloss und vor Wonne schnaufte.
»Wir werden ein Bosch-Menü kochen, wenn du wieder zurück bist«, sagte Claire mit einem Lachen in der Stimme. »Guacamole mit reichlich Chili, Tandoori-Hühnchen, Teufelskuchen, Schostakowitsch und Strawinski, mit noch ein wenig Mussorgski dazwischen … Ein alter Chambertin …«
»Wo wir gerade von Musik sprechen, die Platte ist in einer Rille steckengeblieben. Füllst du die Teller mit Schmorfleisch?«, bat er und ging in das nie benutzte Esszimmer.
Claire ging in der Küche umher, während Charles, der sich wieder gesetzt hatte, sie beobachtete. Zuerst nahm sie die kleinen Kartoffeln von der Kochplatte des Holzofens, goss sie in der Spüle ab, tat einen Klacks Butter darüber und trug sie in einer Schüssel zum Tisch. Das Stück Rindfleisch teilte sie in zwei Hälften, die sie auf zwei alte Teller stellte, jeden zwischen Messer und Gabel. Als Letztes kam die Schale mit den blanchierten grünen Bohnen. Keine Schale oder Teller schlug versehentlich aneinander; Claire Ponsonby legte alles exakt dort auf den Tisch, wo es hingehörte. Derweil begab sich der Hund, der wusste, dass er in der Küche nicht mehr gebraucht wurde, wieder zu seinem Teppich und legte seinen Kopf wieder auf die Pfoten.
»Was hast du morgen vor?«, fragte Charles, als der Schmortopf von einer kleinen Tasse Espresso abgelöst worden war und beide den Duft milder Zigarren genossen.
»Ich werde morgen früh einen langen Spaziergang mit Biddy machen. Dann werden Biddy und ich uns den Vortrag über subatomare Teilchen anhören – er ist im Susskind-Hörsaal. Ich habe hin und zurück ein Taxi bestellt.«
»Es sollte nicht nötig sein, ein Taxi zu bestellen!«, blaffte Charles. »Diese gefühllosen Idioten, die Taxi fahren, sollten den Unterschied zwischen einem Blindenhund und anderenHunden kennen! Ein Blindenhund, der in ein Taxi pinkelt? Blödsinn!«
Sie streckte die Hand aus und berührte zielsicher seine Hand; kein Tasten, kein Abgleiten. »Es macht gar keine Mühe, eines zu bestellen«, sagte sie beruhigend.
Das Abendessen im Hause der Forbes verlief ganz anders.
Robin Forbes hatte versucht, ein Nussbrot zu backen, und hatte dünne Preiselbeersauce darübergeträufelt, um es, wie sie zu Addison sagte, »ein bisschen aufzupeppen, mein Lieber«.
Er probierte vorsichtig das Ergebnis und schrak entsetzt zurück. »Es ist süß!«, quiekte er.
»Ach, Liebling, von ein bisschen Zucker bekommt man doch keinen Herzinfarkt!«, rief sie und schlug verzweifelt die Hände zusammen. »Du bist der Doktor, ich bin nur eine einfache Krankenschwester ohne Abschluss, aber selbst Krankenschwestern wissen, dass Zucker der ultimative Energielieferant ist. Ich meine, alles, was du isst, was nicht direkt zu neuem Gewebe verbaut wird, daraus wird Glucose für sofort und Glykogen für später. Du bringst dich selber mit Grausamkeit dir selbst gegenüber um, Addison! Nicht einmal ein zwanzigjähriger Fußballstar trainiert so hart.«
»Danke für den Vortrag«, sagte er bissig, kratzte demonstrativ die Preiselbeersauce von seinem Nussbrot und lud sich dann bergeweise Salat, Tomaten, Gurke, Sellerie und Paprika auf seinen Teller. Kein Dressing, noch nicht einmal Vinaigrette.
»Ich hatte heute Morgen mein wöchentliches Gespräch mit Roberta und Robina«, sagte sie fröhlich und ängstlich zugleich, dass er bemerkte, das Stück Hackbraten war aus dem Feinkostgeschäft und das cremige Dressing lugte unter ihrem eigenen bescheidenen Salat hervor.
»Wurde Roberta in der Neurochirurgie angenommen?«, fragte er ohne das geringste Interesse.
Robin machte ein langes Gesicht. »Nein, Liebster, sie haben sie abgelehnt. Sie sagt, weil sie eine Frau ist.«
»Richtig so. Für Neurochirurgie braucht man schon das Stehvermögen eines Mannes.«
Es hatte keinen Sinn, weiterzureden. Robin wechselte das Thema. »Aber«,
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