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Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord

Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord

Titel: Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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traf, und erhielt nur freundliches Winken als Antwort auf ihren eigenen Gruß.
    Das Eichenlaub fiel bereits von den Bäumen. Als Desdemona in die Twentieth Street einbog, raschelte sie schon durch große Blätterhaufen, weil die Stadtreinigung hier noch nicht gewesen war. Ah, da war er. Der Siamkater, der immer auf einem Pfosten saß, um ihr hallo zu sagen, wenn sie vorbeiging. Sie hielt an und erwies ihm ihre Ehrerbietung. Hinter sich hörte sie das Geraschel von Schritten, das, kurz nachdem sie angehalten hatte, erstarb. Es war derart ungewöhnlich, dass sie sich überrascht umdrehte. Oh, doch nicht nach fünf Jahren! Aber es war niemand zu sehen. Sie ging weiter, aufmerksam lauschend, undhielt zehn Meter weiter wieder an. Das Rascheln hinter ihr im toten Laub hörte auch auf, eine halbe Sekunde zu spät. Auf ihrer Stirn brach leichter Schweiß aus, aber sie ging weiter, als hätte sie nichts bemerkt, bog auf die Sycamore ein und überraschte sich selbst damit, dass sie das letzte Stück zu ihrem Haus rannte.
    Lächerlich, Desdemona Dupre! Wie dumm von dir! Es war der Wind, es war eine Ratte, ein Vogel, irgendein kleines Tier, das du nicht gesehen hast.
    Als sie die zweiunddreißig Stufen in den zweiten Stock hochstieg, atmete sie heftig. Unwillkürlich wanderten ihre Augen zu dem Handarbeitskorb, aber er war unverändert. Ihre Stickerei lag genau dort, wo sie sein sollte.
    Eliza Smith hatte Bobs Lieblingsessen zubereitet, gegrillte Rippchen, dazu Salat und warmes Brot. Seine Gemütsverfassung bereitete ihr große Sorgen. Seit dem Mord ging es mit ihrem Mann stetig bergab; er war leicht reizbar, meckerte an Dingen herum, die er sonst nicht einmal bemerkte, und war oft so weit in Gedanken versunken, dass er gar nicht mitbekam, was um ihn herum passierte. Sie wusste schon immer, dass dies eine Seite seines Wesens war, aber zwischen einer brillanten Karriere und seinen Torheiten im Keller war sie zuversichtlich gewesen, dass diese Seite nie sein Wesen, seine Welt dominieren würde. Letzten Endes war er über Nancy hinweggekommen – oh, es war eine Weile sehr stürmisch gewesen –, und was konnte schlimmer sein als das?
    Obwohl die Zeitungen und die Nachrichten im Fernsehen damit aufgehört hatten, immer wieder über das »Monster von Connecticut« zu reden, war das bei Bobby und Sam noch nicht angekommen. Jeden Tag, wenn sie in die Dormer Day School gingen, badeten sie in dem Ruhm, einen Vater zu haben, der direkt mit dem Mord zu tun hatte, und verstanden nicht, warumsie nicht weiter darauf herumreiten sollten, wenn sie nach Hause kamen.
    »Wer, glaubst du, ist es, Dad?«, fragte Bobby wieder.
    »Lass es, Bobby«, sagte seine Mutter.
    »Ich glaube, es ist Schiller«, sagte Sam und knabberte an einem Rippchen. »Ich wette, er war ein Nazi. Er sieht aus wie ein Nazi.«
    »Sei still, Sam. Hör auf mit dem Thema!«, befahl Eliza.
    »Hört auf eure Mutter, Jungs, ich habe genug davon«, sagte der Professor, der seinen Teller kaum angerührt hatte.
    Die Unterhaltung verstummte, als die Jungs an weiteren Rippchen nagten und ihren Vater dabei fragend ansahen.
    »Ach, Dad, bitte, erzähl uns doch, was glaubst du, wer war’s?«, bettelte Bobby.
    »Schiller ist der Killer! Schiller ist der Killer!«, singsangte Sam.
    Robert Mordent Smith legte beide Hände auf den Tisch, erhob sich und zeigte auf eine freie Ecke des großen Raumes. Bobby schluckte, und Sam wimmerte, aber beide Kinder standen auf, gingen dahin, wo ihr Vater gezeigt hatte, und zogen ihre Hosen herunter. Smith nahm den langen Rohrstock von seiner gewohnten Stelle auf der Anrichte, ging zu den Jungs hinüber und ließ sein Hilfsmittel auf Bobbys Hintern niedersausen. Er schlug immer Bobby zuerst, denn Sam hatte eine derartige Angst vor dem Rohrstock, dass es seine Strafe verdoppelte, wenn er zusehen musste. Der erste Hieb hinterließ einen roten Striemen, aber es folgten fünf weitere, während denen Bobby mannhaft ruhig blieb; Sam jaulte bereits. Sechs weitere Hiebe auf Bobbys andere Pobacke, dann war Sam dran, der trotz seiner Schreie genauso harte und brutale Schläge erhielt. Sam war in den Augen seines Vaters eine Memme.
    »Geht ins Bett und denkt darüber nach, wie schön es ist, amLeben zu sein. Nicht alle von uns haben dieses Glück. Ich will nichts mehr von diesem lästigen Gequassel hören, kapiert?«
    »Sam vielleicht«, sagte Eliza, als die Jungen gegangen waren, »er ist erst zwölf. Aber du solltest bei einem Vierzehnjährigen keine Gerte benutzen,

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