Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
Bob. Er ist schon jetzt größer als du. Eines Tages wird er sich wehren.«
Statt zu antworten, ging Bob zur Kellertür, die Schlüssel des Sicherheitsschlosses in seiner Hand.
»Und es gibt keinen Grund für dieses obsessive Abschließen!«, rief Eliza aus dem Esszimmer, als er verschwand. »Was ist, wenn etwas passiert und ich dich schnell brauche?«
»Dann brüll!«
»Oh, sicher«, murmelte sie und begann, die Reste des Abendessens zurück in die Küche zu tragen. »Das würdest du bei dem Gedudel gar nicht hören. Und hör auf meine Worte, Bob Smith, eines Tages werden die Jungs sich dir widersetzen.«
Ein Klavierkonzert von Saint-Saëns drang aus einem Paar gigantischer Lautsprecherboxen, die in der türlosen Öffnung standen, die aus der Küche herausführte. Während Claire Ponsonby in dem alten Steinbecken eine rohe Garnele schälte, öffnete ihr Bruder die Backröhre des Holzofenherds und holte mit zwei Topflappen eine Auflaufform aus Terrakotta heraus. Ihr Deckel war mit einer Mischung aus Mehl und Wasser festgeklebt, um auch noch den letzten Tropfen des kostbaren Saftes zu bewahren. Charles stellte die Schüssel auf das Marmorende des dreihundert Jahre alten Arbeitstisches und begann dann, den Deckel der Kasserolle von seiner Teigversiegelung zu befreien.
»Ich habe heute einen exzellenten Aphorismus geprägt«, sagte er. »Gerede ist wie Knoblauch – ein guter Diener, aber ein schlechter Herr.«
»Passt sehr gut zu unserem Menü heute, aber ist das Geredeim Hug wirklich so schlimm, Charles? Im Grunde genommen weiß doch keiner etwas.«
»Ich stimme dir zu, dass keiner weiß, ob die Körperteile in der Verbrennungsanlage gelandet sind, aber es grassieren starke Vermutungen.« Er kicherte. »Das Hauptopfer des Getratsches ist Kurt Schiller, der mir heute einen vorgejammert hat – pah! Ich musste mir auf die Zunge beißen.«
»Das duftet himmlisch«, sagte Claire und wandte sich lächelnd zu ihm um. »Wir haben seit Ewigkeiten keinen provenzalischen Rinderschmorbraten mehr gegessen.«
»Aber zuerst Garnelen in Knoblauchbutter«, sagte Charles. »Bist du fertig?«
»Gleich. Die perfekte Musik für ein perfektes Essen. Saint-Saëns ist so opulent. Soll ich die Butter schmelzen, oder machst du das? Der Knoblauch ist fertig zerdrückt. Dieser Teller da.«
»Das mache ich, und du deckst den Tisch«, sagte Charles. Er warf ein Stück Butter in die Pfanne, während die Garnelen darauf warteten, im richtigen Moment, wenn der Knoblauch braun war und die Butter kochte, kurz in die Pfanne geworfen zu werden. »Zitrone! Hast du den Zitronensaft vergessen?«
»Ehrlich, Charles, bist du blind? Direkt neben dir.«
Jedes Mal, wenn Claire mit ihrer heiseren Stimme sprach, hob der große Hund, der in einer Ecke lag, den Kopf von den Pfoten und klopfte mit seinem Schwanz auf den Boden, wobei seine buschigen Augenbrauen sich ausdrucksvoll hoben und senkten.
Die Garnelen in Charles’ Hand, der Tisch gedeckt, ging Claire zum Küchentresen und nahm eine große Schale mit Hundefutter aus der Dose. »Hier, Biddy, mein Liebling, für dich gibt’s auch Abendessen«, sagte sie, ging quer durch das Zimmer dahin, wo der Hund lag, und stellte ihm das Futter direkt zwischen die Vorderpfoten. Sofort war Biddy auf denFüßen und schlang das Futter hungrig herunter. »Es ist der Labrador in dir, der dich gierig macht«, meinte Claire. »Ein Jammer, dass der Schäferhund nicht genug durchschlägt. Genüsse sind unendlich süßer, wenn sie langsam genossen werden.«
»Ganz meiner Meinung«, sagte Charles. »Lassen wir uns mindestens eine Stunde Zeit für unser Essen.«
Die beiden Ponsonbys setzten sich jeder an eine Seite des hölzernen Endes des Tisches, um zu essen. Ein geruhsamer Vorgang, der nur unterbrochen wurde, als die Schallplatte durch eine neue Platte ersetzt werden musste. Heute war es Saint-Saëns, aber morgen würde es Mozart oder Satie sein. Die richtige Musik zu wählen war genau so wichtig wie der richtige Wein.
»Ich nehme an, du gehst zu der Bosch-Ausstellung, Charles?«
»Keine zehn Pferde könnten mich davon abbringen. Ich kann es kaum erwarten, seine richtigen Bilder zu sehen! Egal, wie gut die Drucke in einem Buch sind, können sie nie mit dem Original mithalten. So makaber, so voll von etwas, von dem ich nicht weiß, ob es bewusster oder unbewusster Humor ist. Irgendwie kann ich mich nicht in Boschs Gedanken versetzen! War er schizophren? Hatte er eine Quelle mit Zauberpilzen? Oder ist er einfach
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