Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
wurden weich. Aber sie konnte es sich noch nicht leisten, sich zu entspannen. Wenn Radecki wirklich so gut war, wie man ihm nachsagte, hatte er jemanden beauftragt, sie abzuholen, wenn sie die Loge verließ, und ihr nachzugehen. Sie und Petra hatten besprochen, wie sie mit dieser Situation umgehen würden. Petra würde ein Stück zurückbleiben, aber nahe genug sein, um abzusichern, dass Carol in ein Taxi steigen und Petra sehen konnte, wer ihr folgte. Petra würde dann versuchen, den Verfolgern zu folgen, würde es aber nicht riskieren, entdeckt zu werden.
    Obwohl sie erschöpft war, gab sie sich so locker wie möglich und ging zur Garderobe hinunter, um sich anzustellen und ihren Mantel zu holen, oder vielmehr Caroline Jacksons Mantel, der aus luxuriösem, weichem Lammfell war und modische Eleganz mit der Kuscheligkeit verband, die man im Frühling in Berlin brauchte. Ohne sich nach dem Beobachter umzusehen, den sie erwartete, schlenderte sie aus der Staatsoper, blieb am Gehwegrand stehen und hielt nach einem Taxi Ausschau.
    Ich und halb Berlin
, dachte sie müde nach fünf Minuten, nachdem alle Versuche, ein Taxi zu erwischen, fehlgeschlagen waren. Als sie eine Hand auf ihrem Arm spürte, wirbelte sie mit weit aufgerissenen Augen und in voller Alarmbereitschaft – zu Kampf oder Flucht bereit – herum. Radecki stand hinter ihr, ob beabsichtigt oder nicht, in einem gebührenden Abstand, ohne sie zu bedrängen. Selbst in diesem Zustand erhöhter Angst registrierte Carol das als ungewöhnlich für einen Mann. »Es tut mir Leid, ich habe Sie wohl erschreckt«, sagte er.
    Sie fasste sich schnell. »Ja«, sagte sie lächelnd. »Sie sollten dankbar sein, dass ich mein Pfefferspray nicht in der Hand hatte.«
    Er senkte reumütig den Kopf. »Als ich herauskam, konnte ich nicht übersehen, dass Sie Probleme haben, eine Taxe zu bekommen. Vielleicht kann ich helfen?« Er nahm sein Mobiltelefon. »Mein Fahrer kann den Wagen innerhalb von fünf Minuten hier haben. Er kann Sie fahren, wohin Sie möchten.«
    Das ist auch viel leichter, als mir zu folgen
, dachte Carol bewundernd, sagte aber: »Das wäre sehr nett. Ich habe eiskalte Füße.«
    Er warf einen Blick auf ihre sexy hochhackigen, dünnsohligen Schuhe, die sie für diese Gelegenheit gewählt hatte. »Das wundert mich nicht. Es ist offensichtlich, dass Sie nicht aus Berlin sind. Kommen Sie doch ins Foyer, hier ist es wärmer.« Er nahm ihren Ellbogen und führte sie auf das Opernhaus zu, im Gehen schnell ins Telefon sprechend. Carol bemerkte mehrere neugierige Blicke von anderen Theaterbesuchern, als sie vorbeigingen. Das war kaum überraschend. Wenn sie den Anblick von Tadeusz und Katerina gewöhnt waren, wäre Carol an seiner Seite Anlass für heftige Klatschgeschichten. Sie konnte es sich schon vorstellen. »Oh, haben Sie in der Oper Tadeusz Radecki mit dieser Frau gesehen? Sie könnte Katerinas Schwester sein. Das ist merkwürdig. Was für ein perverser Typ geht mit einer Frau aus, die so sehr wie seine verstorbene Freundin aussieht?«
    Sie standen drinnen an der Tür, einen gewissen Abstand zwischen sich, und schwiegen. Sie wollte das Schweigen nicht mit falschen Worten brechen, manchmal war es besser, zu warten, bis der Fisch von selbst anbiss. Ein paar Leute nickten Tadeusz grüßend zu, während sie das Gebäude verließen, aber niemand blieb stehen, um mit ihm zu sprechen.
    Er hielt sein Wort. Nur ein paar Minuten vergingen, dann zeigte er mit einer Kopfbewegung auf einen schwarzen Mercedes, der am Gehweg anhielt. »Mein Wagen«, sagte er, ging zum Randstein und öffnete die hintere Tür.
    »Ich danke Ihnen wirklich dafür«, sagte Carol und stieg ein. Er beugte sich hinter ihr in den Wagen und sprach mit dem Fahrer.
    »Gern geschehen«, sagte er und zog den Kopf aus der Tür zurück. »Sagen Sie ihm einfach, wohin Sie möchten.« Er machte Anstalten, die Tür zuzuschlagen.
    »Warten Sie«, sagte Carol. »Kommen Sie nicht mit?«
    »Nein.«
    »Aber wie kommen Sie denn nach Hause?«
    »Ich wohne hier in der Nähe. Außerdem gehe ich lieber zu Fuß.« Diesmal war das Lächeln anscheinend unkompliziert. »Ich rufe Sie an«, sagte er und schloss die Tür mit einem sanften Geräusch.
    Carol gab dem Fahrer ihre Adresse und lehnte sich in das feste Lederpolster zurück. Es war ein schlaues Manöver von ihm, dass er ihr einen Gefallen tat, ohne in irgendeiner Weise zudringlich zu werden. Sie hätte am liebsten einen Teil des Freudentaumels laut herausgeschrien, den sie

Weitere Kostenlose Bücher