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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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endlos. Carol konnte sich nicht auf die Musik konzentrieren, in Gedanken wiederholte sie immer wieder ihre Unterhaltung und kritisierte alles, was und wie sie es gesagt hatte. Sie wünschte, sie hätte Gelegenheit gehabt, dies vorab mit Tony durchzuspielen. Wenigstens wäre sie dann zuversichtlicher gewesen, dass sie die richtigen Saiten bei ihm anschlug. Zwar hatte sie von Radecki keine sofortige Kapitulation erwartet. Aber sie hatte sich doch mehr erhofft, als seine hartnäckige Weigerung, zuzugeben, dass ihm klar war, wovon sie sprach.
    Sie war sich seiner Blicke, die auf ihr ruhten, nur allzu bewusst. Sein Platz war schräg hinter ihrem, und aus dem Augenwinkel bekam sie mit, dass er sie oft und lange ansah. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen und fühlte sich wehrlos ausgeliefert und beunruhigt. Was dachte er wohl? Welche Wirkung hatte sie auf ihn?
    Carol unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung, als der zweite Akt mit der Hochzeit der Füchsin und ihrem Freund den Höhepunkt erreichte.
Da gibt es keine Anklänge
, dachte sie dankbar. Bevor die Beleuchtung anging, sah sie Tadeusz sich vom Platz erheben und an die hintere Wand zurücktreten. Sie wandte sich um und ertappte ihn dabei, dass er in die Tasche des an einem Haken neben der Tür hängenden Mantels griff. Er hielt ein Mobiltelefon in der Hand. »Ich muss ein paar Anrufe machen«, sagte er laut, so dass seine Stimme trotz des Beifalls zu hören war. »Ich bin gleich wieder zurück.«
    »Ja«, flüsterte sie triumphierend, als die Tür hinter ihm zufiel. Er hatte beschlossen, Erkundigungen über sie einzuziehen. Morgan hatte ihr gesagt, sie solle sich keine Sorgen über die Absicherung ihrer falschen Identität in England machen. Sie hatten, so versicherte er ihr, geraume Zeit daran gearbeitet. Ihr Deckname war von zwei verschiedenen Seiten im Milieu verbreitet worden. V–Leute hatten sie als eine Frau erwähnt, die sich im Hintergrund hielt, mit der man aber nichtsdestotrotz rechnen musste. Und die Leute, die man nach Colin Osbornes Tod vorlud, waren alle intensiv zu Caroline Jackson befragt worden. »Wir haben sie wirklich unter Druck gesetzt«, hatte Morgan erklärt. »Alle, die die Verhöre führten, wurden angewiesen, so zu tun, als könnten sie nicht glauben, dass die Verdächtigten nie von Ihnen gehört hatten. Sie schleusten den Gedanken ein, dass Sie mit Colin in Verbindung standen, dass Sie im gleichen Geschäftszweig tätig waren und dass er und Sie große Pläne für die Zukunft hatten. Wenn also Radecki anfängt, über Sie Erkundigungen einzuziehen – und das wird er, davon können Sie ausgehen –, werden Sie als ein Name erscheinen, den die Leute gehört haben. Die Tatsache, dass niemand Sie persönlich kennt, kann sich zu Ihrem Vorteil auswirken. Es lässt Sie als Unternehmerin mit nach außen hin völlig weißer Weste wie Radecki selbst erscheinen.«
    Morgan hatte zumindest damit Recht gehabt. Sie war sicher, dass Radecki jetzt diese ersten Anrufe machte. Und sie hatte später am Abend noch eine Trumpfkarte auszuspielen, die den Ausschlag geben und sein Interesse an ihr als potentieller Geschäftspartnerin genauso steigern würde, wie er offensichtlich von ihr als Frau fasziniert war.
    Tadeusz blieb die ganze zweite Pause über verschwunden und kehrte erst zurück, als der dritte Akt schon zehn Minuten lief. Carol drehte sich absichtlich nicht um, als er hereinkam, und tat so, als sei sie ganz in die Musik vertieft. Als die Oper zu Ende ging, fragte sich Carol, ob Radecki Parallelen zwischen dem Geschehen auf der Bühne und dem sah, was er an diesem Abend erlebte. Da war das sterbende Füchslein, das mehr zufällig als aus Vorsatz getötet wurde, und der Förster, der, mit einem der Kinder der Füchsin konfrontiert, es der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten fand. Rief all dies bei ihm provozierende Assoziationen hervor? Das konnte sie nur hoffen. Je mehr ihm ihre Ähnlichkeit mit Katerina eingehämmert wurde, desto besser war es für ihre Erfolgschancen.
    Als das Publikum am Ende in Applaus ausbrach, zog er seinen Stuhl nach vorn, so dass er direkt neben ihrem stand, und beugte sich zu ihr hinüber. Sie nahm einen schwachen Zigarrengeruch und eine raffinierte Nuance von Kölnischwasser wahr. »Es war sehr interessant, Sie kennen zu lernen. Obwohl ich immer noch nicht verstehe, wovon Sie gesprochen haben.«
    Carol wandte den Kopf und sah ihm in die Augen. »Sie sind schwer zu überzeugen. An Kollegen gefällt mir

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