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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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zurückkommt.«
    »Das stimmt allerdings«, sagte sie und versuchte nicht zu niedergeschlagen zu klingen. »Was ist mit dem Stasi-Aspekt?«
    »Petra hat für morgen ein Treffen mit einem Historiker arrangiert. Aber da glaube ich auch, dass wir die Stecknadel im Heuhaufen suchen.«
    »Es interessiert mich, wie er das sieht, was er tut«, überlegte Carol. »Wenn du Recht hast und er meint, dass sein Leben verkorkst ist, weil jemand, der ihm nahe stand, ein Opfer von Psychoterror war, was für ein Ziel hat er dann? Ganz einfach Rache? Oder versucht er eine umfassendere Botschaft zu übermitteln?«
    »Na ja, es hängt davon ab, ob wir bewusste oder unterbewusste Motive betrachten«, sagte Tony. »Ich würde sagen, unterbewusst versucht er, sich zu rächen. Aber das ist zu persönlich, zu kleinlich für ihn, um es als Hauptmotiv anerkennen zu können. Ich meine, er sieht sich als jemand, der den Augiasstall der Psychologie ausmistet. Er schickt die Botschaft aus: Wer mit den Herzen der Menschen spielt, hat den Tod verdient.«
    Carol schob stirnrunzelnd ihre Tasse hin und her. »Ich weiß, das wird jetzt abwegig klingen, aber glaubst du, dass er das, was er tut, als eine Art Kur sieht? Eine Form extremer Therapie? Jetzt werdet ihr euch eurer schrecklichen, zerstörerischen Gewohnheit nicht mehr hingeben?«
    Das war es, was Tony so toll an der Zusammenarbeit mit Carol fand. Ihre Gedanken schweiften in eine andere Richtung ab, und sie kam mit Ideen zurück, die ihm entweder nicht einfielen oder die er als zu unwahrscheinlich verworfen hätte, um sie in Betracht zu ziehen. Sie war schon früher so verfahren und hatte damit Recht gehabt, während er auf der falschen Fährte gewesen war. »Weißt du was, das ist keine schlechte Idee«, sagte er langsam. »Aber was machst du daraus?«
    »Ich bin nicht sicher …« Carol starrte an die Wand und versuchte, eine Idee in Worte zu fassen, die sich in einem Winkel ihres Bewusstseins verbarg. »Wenn er sich als ein Instrument der Rache versteht, könnte es dann nicht sein, dass er sie noch weiter demütigt, indem er selbst die Mittel ihres Berufs anwendet? Ob er wohl für wissenschaftliche Zeitschriften geschrieben und ihre Arbeit verurteilt und kritisiert hat? Es wäre vielleicht interessant, auch eine Internetsuche durchzuführen, da er sich ja anscheinend als Journalist für eine Internet-Zeitschrift ausgibt.«
    Tony nickte. »Es ist möglich. Jedenfalls lohnt es sich, das mal zu betrachten.«
    »Oder vielleicht hat er an ihre Institute geschrieben und ihre Fehlleistung als Wissenschaftler kritisiert?« Carol schaute gedankenverloren in die Ferne. »Vielleicht sieht er das letzte Treffen mit ihnen als eine Art therapeutische Sitzung an?«
    »Du meinst, er glaubt, sie seien die Patienten, und er sei derjenige, der sie kuriert?«
    »Genau. Was meinst du?«
    »Es ist möglich. Und?«, fügte Tony hinzu und drängte Carol weiter, um zu sehen, wohin sie dieser Gedanke führen würde.
    Sie rutschte auf der Couch näher heran und lehnte sich an ihn. »Nichts weiter. Tut mir Leid. Das ist mein Teil.«
    »Macht nichts. Intuition kommt nicht auf Befehl. Ich werde Petra und Marijke vorschlagen, dass sie in Erfahrung bringen, ob es in der Öffentlichkeit oder in wissenschaftlichen Kreisen Kritik an den Arbeiten der Opfer gegeben hat.« Er legte den Arm um sie.
    »Ach, das ist so gemütlich« seufzte Carol. »Ich wünschte, ich müsste nicht wieder nach oben gehen.«
    Tony schluckte. »Das brauchst du auch nicht.«
    »Ich glaube doch. Wir haben so lange gewartet, bis wir an diesen Punkt gekommen sind. Ich will nicht, dass bei unserem ersten Mal Radeckis Schatten über uns hängt. Ich will, dass nur wir beide es sind, du und ich, etwas ganz Besonderes.« Sie wandte ihm das Gesicht zu. »Ich kann noch ein bisschen länger warten.«
    Er beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr einen sanften Kuss auf die Lippen. »Du bist entschlossen, mir keine Ausrede fürs Schiefgehen zu lassen, hm?«, sagte er und versteckte seine Beklemmung hinter einem scherzhaften Lächeln.
    »Sei still«, sagte sie und legte ihm warnend einen Finger auf die Lippen. »Ich mach mir keine Sorgen, und du solltest das auch nicht tun.« Sie löste sich von ihm. »Und jetzt gehe ich zu Bett. Wir haben beide zu viel Verantwortung, um uns den nötigen Schlaf rauben zu lassen.« Sie stand auf. »Ich finde schon selber raus. Und ich seh dich bald wieder.«
    Er sah ihr nach, wie sie durch den Raum ging, und war erstaunt über das warme

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