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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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herstellen, um den Eindruck zu verwischen, dass er vorübergehend in das Verhalten eines, wie er es wohl sehen würde, »gewöhnlichen« Kriminellen abgerutscht war.
    Wenn ich damit Recht habe, dass er irgendwie mit den Wasserwegen zu tun hat, könnten seine Möglichkeiten auf einen recht kleinen geographischen Bereich beschränkt sein. Ich glaube, die Zeit ist reif, seine potentiellen Opfer über die Gefahr zu informieren. Aber ich würde dringend empfehlen, dies unauffällig zu tun, um den Täter nicht aufmerksam zu machen. Polizeibeamte sollten mit Universitätsinstituten, die auf experimentelle Psychologie spezialisiert sind, persönlich Kontakt aufnehmen. Wenn sie die beste Chance haben wollen, den Mörder zu fassen, sollten sie die Notwendigkeit von Vertraulichkeit betonen und zur Mithilfe auffordern. Man sollte nach Hochschullehrern fahnden, die wegen Interviews für eine neue Internet-Zeitschrift kontaktiert wurden. Dann wäre es möglich, eine Fangaktion zu organisieren. Wenn dies schnell geschähe, könnte vielleicht ein fünfter Mord verhindert werden.
    Tony las das, was er geschrieben hatte, noch einmal durch und schickte es dann an Marijke und Petra, mit einer Kopie an Carol. Nach dem, was Marijke ihm gesagt hatte, sah es aus, als würden die Fälle bereits im bürokratischen Papierkrieg stecken bleiben, da alles durch eine Sicherheitsschleuse im Europol-Computerzentrum in Den Haag weitergeleitet wurde. Er hoffte, dass sie gemeinsam die Ermittlung vorantreiben könnten. Andernfalls würden sie letzten Endes alle noch mehr Schuld auf sich laden.
     
    Tadeusz begleitete Carol bis zur Tür des Apartmenthauses. »Danke«, sagte sie. »Es war ein interessanter Abend.«
    Er verbeugte sich tief und küsste ihr die Hand. »Danke, dass Sie gekommen sind. Ich rufe Sie an, ja?«
    Erleichtert, dass er nicht auf eine Tasse Kaffee bei ihr anspielte, nickte Carol. »Ich freue mich darauf. Gute Nacht.«
    Sie nahm den Aufzug zum dritten Stock und betrat ihre Wohnung. Wenn er unten auf der Straße stand und sie beobachtete, würde er sehen, dass sie direkt nach Hause gegangen war. Auf dem Weg ins Schlafzimmer machte sie den Reißverschluss auf und ließ ihr Kleid zu Boden fallen. Sie wollte Tony sehen, aber nicht in Caroline Jacksons Kleidern, in denen noch ein Hauch von Tadeusz’ Zigarrenrauch hing. Sie nahm ein sauberes T-Shirt und Jeans und zog sich hastig um, ging dann die zwei Treppen zu seiner Wohnung hinunter, vergewisserte sich aber, dass niemand im Flur war und sie beobachtete.
    Er sah angestrengt aus, dachte sie, als er die Tür öffnete. Aber er hatte ja auch den ganzen Tag damit zugebracht, den Mord an einer Bekannten zu untersuchen. Es wäre seltsamer gewesen, wenn er sie mit einem fröhlichen Grinsen begrüßt hätte. Sie ging auf ihn zu und küsste ihn auf die Wange. Als Antwort umarmte er sie fest. »Es ist schön, dich zu sehen«, sagte er. »Wie ist es heute gegangen?«
    »Es war interessant«, sagte Carol, »ungefähr so wie in: ›Mögest du in interessanten Zeiten leben.‹«
    Tony ging ins Wohnzimmer voraus, wo die Vorhänge schon zugezogen waren, und sie setzten sich auf die beiden Couchenden, immer noch ziemlich unsicher in Bezug auf den neuen Charakter ihrer Beziehung. »Erzähl es mir«, sagte er und goss ihr ein Glas Rotwein aus der offenen Flasche auf dem Tisch ein.
    Carol brachte ihn über die Ereignisse des Tages aufs Laufende. Den Kopf zur Seite geneigt, hörte er aufmerksam zu. Schließlich sagte er: »Es musste so kommen. Der Augenblick musste kommen, wo er plötzlich wegen der Ähnlichkeit zwischen dir und Katerina ausflippen und misstrauisch werden würde.«
    »Na ja, obwohl es nicht ganz unerwartet kam, hat es mich doch aus der Fassung gebracht. Ich hatte keine Idee, wie ich reagieren sollte.«
    »Du hast dich an deinen Instinkt gehalten, was in deinem Fall immer eine gute Entscheidung ist. Du reagierst gut, Carol, und das war heute Nachmittag von Vorteil für dich. Du hast nicht kapituliert, du hast es ihm einfach zurückgegeben, was die beste Möglichkeit war, ihn von dem abzulenken, was ihn nicht loslässt. Aber du solltest nicht überrascht sein, wenn so etwas wieder vorkommt.«
    »Was soll ich dann nächstes Mal tun? Wieder brüskiert sein?«
    Tony fuhr sich durchs Haar. »Ich habe nicht auf alles eine Antwort, Carol. Ehrlich gesagt, ich habe mich selten weniger unfehlbar gefühlt als heute Abend.«
    Carol hob die Augenbrauen. »Nanu, du warst doch derjenige, der versprochen hat,

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