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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Serbe, aber man unterschätzt ihn leicht. Er sieht einfach wie ein Schläger aus, aber tatsächlich ist er ein sehr kluger Unternehmer.«
    Also nicht der, der mich überwacht
, dachte Carol. Ihr Verfolger konnte jedenfalls nicht als Schlägertyp beschrieben werden. Eher gertenschlank. »Ich freue mich darauf«, sagte sie. »Nur noch den Lippenstift, dann bin ich fertig. Tut mir Leid, dass Sie warten müssen.«
    »Das macht nichts. Ich finde es schön, dass ich die Gelegenheit habe, zu sehen, wo Sie wohnen. Jetzt kann ich Sie mir vorstellen, wenn wir nicht zusammen sind. Vielleicht darf ich das Vergnügen erwidern? Vielleicht könnten wir morgen in meiner Wohnung essen?«
    Carol kicherte leise. »Sie können auch kochen?«
    Er lachte. »Nicht sehr gut. Aber ich kann anrufen und ein Essen vom besten Restaurant in Berlin kommen lassen.«
    Carol kam aus dem Bad. »So. Fertig.«
    Er lächelte und neigte bewundernd den Kopf zur Seite. »Das Warten hat sich gelohnt.«
    Als sie die Wohnung verließen, stand der Wagen zu ihrer Überraschung nicht am Gehweg. »Mein Vorzeigegeschäft ist nur fünfzehn Minuten von hier, und ich dachte, da es nicht mehr regnet, könnten wir zu Fuß gehen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht. Wenn es ein Problem ist, kann ich den Wagen rufen.«
    »Es wird mir ein Vergnügen sein. Ich brauche frische Luft«, sagte sie.
    Er bot ihr seinen Arm, und sie hakte sich ein.
Nicht schlecht gemacht
, dachte sie. Sie war also nicht die Einzige, die den Einsatz erhöhte.
    Die nächsten paar Stunden verlangten ihr sehr wenig außer Bewunderung und hier und da einer Frage ab. Er war wie ein kleiner Junge, der die Vorzüge seiner Lieblingseisenbahn vorführt. Als der Nachmittag zu Ende ging, wusste sie mehr über den Verkauf und Verleih von Videos, als sie je sich hätte vorstellen können. Aber nebenbei hatte sie auch nützliche Details darüber mitbekommen, wie Tadeusz seine illegalen Einkünfte mit Hilfe legaler Geschäfte der Geldwäsche unterzog. Einzelheiten der Buchhaltung hatten sie nie besonders interessiert, aber selbst sie begriff, wie schlau sein Unternehmen eingefädelt war. Sie wusste, dass sie hier Dinge erfuhr, die den Spezialisten für Buchhaltung helfen würden, sich im finanziellen Sumpf von Tadeusz’ Imperium zurechtzufinden, wenn er endlich verhaftet war.
    Fast genauso wichtig wie die Fakten und Zahlen, die sie aufschnappte, war die Art und Weise, wie ihre Beziehung sich entwickelte. Tadeusz fand bei jeder Gelegenheit einen Vorwand, um sie zu berühren. Nichts offenkundig Erotisches, aber mehr als ein nur zufälliger Körperkontakt. Wenn er ihr eine Tasse Kaffee reichte, streiften seine Finger ihre Hand. Als er mit ihr durch die Läden ging, legte er leicht die Hand auf ihren Rücken oder führte sie am Ellbogen weiter zu einer Stelle, wo etwas besonders Interessantes zu sehen war. Wenn er ins Auto stieg, streifte er sie mit dem Knie.
    Sie sprachen auch lockerer miteinander. Es überraschte Carol, wie unterhaltend er sein konnte. Abwechselnd war er spaßig und ernst, und es wurden Dinge interessant, die sonst geisttötend hätten sein können. Während sie durch Berlin fuhren, amüsierte er sie mit Anekdoten und erzählte faszinierende Einzelheiten über die Sehenswürdigkeiten, auf die er sie hinwies. Minutenlang vergaß sie, dass sie als Agentin hier war, dass diese Beziehung sich nicht anders als auf den Verrat zuentwickeln konnte, und sie genoss tatsächlich das Zusammensein mit ihm. Erst ein Video brachte sie wieder auf den Boden der Tatsachen und zu ihrer Aufgabe zurück. In einem der Läden zeigte ihr Tadeusz eine besondere Auslage. »Woody-Allen-Filme laufen in diesem Teil der Stadt gut, deswegen sorgen wir immer dafür, dass wir sie zum Verleih und für den Verkauf komplett vorrätig haben«, sagte er und zeigte auf die Regale.
Zelig
fiel ihr auf und gemahnte sie eindringlich, sich von seiner Ausstrahlung nicht betören zu lassen und die Erinnerung an seine Verderbtheit wach zu halten, die sich hinter seinem lässigen Charme und seinem kultivierten Lebensstil verbarg.
    Am Ende der Fahrt wies er den Fahrer an, sie zu ihrer Wohnung zurückzubringen. Wie sonst auch ging er mit ihr bis zu ihrer Tür. Aber statt sich galant zu verabschieden, sah er sie diesmal an und trat einen Schritt näher. Carol musste umgehend eine Entscheidung treffen. Entweder musste sie die Stimmung zerstören und ihn hier stehen lassen oder ihn als Komplizen noch weiter an sich ziehen. Sie wusste, dass dies ein

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