Ein kalter Strom
ihr zu und sah sie an. Behutsam nahm er ihr die Tasse aus den Händen und stellte sie auf den Tisch. »Das ist ja das Mindeste, was ich für eine Frau tun sollte, die mich daran erinnert hat, dass ich noch lachen kann.« Er beugte sich vor und küsste sie.
Carol versuchte, richtig zu reagieren. Der Cognac in seinem Atem stieß sie ab, aber sie wagte nicht, es zu zeigen. Genauso wenig wollte sie sich den Luxus erlauben, sich einfach einer Umarmung hinzugeben, der zu widerstehen ihr nicht leicht fiel. Ihr Körper reagierte spontan und triebhaft. Sie fand Tadeusz gegen ihren Willen attraktiv, denn ihre Hormone kümmerten sich nicht um ihren Verstand. Sie erwiderte seinen feurigen Kuss genauso leidenschaftlich.
Jetzt zog er sie näher zu sich heran, sie wehrte sich nicht und fuhr mit den Fingern über die langen Muskeln seines Rückens. Immer wieder küssten sie sich, ihre Zungen schoben sich zuckend im Mund vor und zurück, und ihr Atem wurde heftiger und schneller. Er beugte sich über sie, und sie spürte unter ihrem Kleid seine heiße Hand auf ihrer Haut. Plötzlich traf es sie wie ein Schock, dass sie nicht wollte, dass er aufhörte.
Ihre Vernunft kämpfte gegen das Verlangen ihres Körpers an. Sie sah Bilder vor ihrem inneren Auge vorbeihuschen und Leichen aus einem Schiffscontainer fallen. Morgans Mund, der ihr sagte, Radeckis Menschenschmuggel müsse Einhalt geboten werden. Der ermordete Mann auf den Stufen vor dem Untersuchungsgefängnis. Dann Tonys Gesicht mit vorwurfsvollem Blick und wehmütig lächelndem Mund. Plötzlich hatte Carol Jordan die Kontrolle über Caroline Jackson zurückgewonnen. Sie wich Tadeusz’ begehrlichen Lippen aus. »Nein, warte«, keuchte sie.
Er erstarrte, mit der Hand auf ihrem Schenkel. »Was ist los?«, stöhnte er.
Sie schloss die Augen. »Ich kann nicht. Es tut mir Leid. Ich kann einfach nicht.«
Er drückte sie noch fester an sich, seine Finger pressten sich tiefer in ihre Haut. »Du willst doch, ich weiß es.«
Carol wand sich, rutschte so weit sie konnte von ihm weg und schob seine Hand von ihrem Bein. »Ich wollte. Ich meine, ich will. Aber … Es tut mir Leid, Tadzio, das geht alles zu schnell. Zu plötzlich.«
Er schlug sich fest mit den Handflächen auf die Schenkel. »Ich begreife das nicht. Du hast mich doch geküsst, als wolltest du.« Er sprach mit erhobener Stimme und Brauen, die sich zornig über die schmal zusammengekniffenen Augen herabsenkten.
»Es ist nicht so, dass ich nicht will. Bitte, denk das nicht. Aber … es ist für mich sehr ungewohnt. Ich habe nie eine Beziehung zu jemandem gehabt, mit dem ich geschäftlich zu tun hatte. Ich bin nicht sicher, ob ich damit klarkomme. Ich brauche Zeit, um da durchzusteigen.«
»Herrgott noch mal.« Er sprang auf, nahm eine Zigarre aus dem Humidor und zündete sie umständlich an, als brauche er eine Gelegenheit, um seine Fassung wiederzugewinnen. »Ich wollte das nie mit einer Frau tun, mit der ich Geschäfte machte«, sagte er, und der Text war viel vernünftiger als der Ton. »Aber ich verstehe nicht, warum das unsere berufliche Beziehung stören sollte. Es könnte sie verstärken. Teamarbeit. Zusammen könnten wir großartig sein, Caroline.«
Sie nahm ihr Glas und nippte daran. »Das hätte ich auch gern. Aber ich brauche etwas mehr Zeit, um mich an den Gedanken zu gewöhnen. Ich sage nicht ›nie‹, ich sage nur ›nicht heute Abend‹.« Sie wandte den Blick ab. »Und dann ist da noch etwas anderes.«
»Aha? Was soll das sein?« Er starrte sie aufsässig an.
»Katerina«, sagte sie leise.
Sein Gesicht wurde wieder zu der starren Maske, die er trug, als sie sich das erste Mal begegneten. »Was ist mit Katerina?«, sagte er schließlich.
»Du hast mir gesagt, wie ähnlich ich ihr sehe.« Carol versuchte einen um Verständnis bittenden Ton anzuschlagen. »Ich muss sicher sein, dass du wirklich mit mir schlafen willst und nicht mit einer zweiten Ausgabe von Katerina.«
Der Glanz war aus seinen Augen gewichen, und seine Schultern hingen herunter. »Meinst du, diese Frage hätte ich mir nicht auch schon gestellt?«
»Ich weiß es nicht.« Jetzt war Carol klar, dass sie das richtige Stichwort gefunden hatte, mit dem sie seine Wut in Verletzlichkeit verwandeln konnte, und sie entspannte sich etwas.
»Als ich dich zum ersten Mal sah, sagte ich mir, sobald ich über den Schock hinweg war, dass ich dich nie anrühren würde, weil das krank wäre. Aber je besser ich dich kennen lernte, desto lieber habe ich
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