Ein kalter Strom
wickelte sie in eines der weichen Badetücher ein, die an der Stange hingen. »Ich verstehe nicht, was hier los ist.«
Carol schloss die Augen, sie war völlig erschöpft vom anstrengenden Stehen in der Dusche. »Ich muss mich setzen«, sagte sie. Marijke steuerte sie zur Toilette. »Holen Sie mir Kleider aus dem Schlafzimmer, bitte, ja? Ich schaffe es noch nicht, selbst da reinzugehen. Es ist über den Flur rüber. Jeans und einen Pullover, Unterwäsche, was auch immer. Ich erkläre es Ihnen dann, ganz bestimmt.«
Während Marijke weg war, gelang es Carol einigermaßen, sich abzutrocknen. Sie konnte den Schmerz kaum aushalten, als sie versuchte, sich zwischen den Beinen zu trocknen. Sie wollte nicht an den Schaden denken, den Radecki ihr zugefügt hatte. Sie würde für den Rest ihres Lebens Zeit haben, darüber nachzudenken.
Marijke kam mit einem Arm voll Kleider wieder. »Sie wollen nicht einfach einen Morgenmantel?«, fragte sie.
»Ich gehe raus«, sagte Carol müde.
»Ich denke, lieber nicht«, sagte Marijke. »Sie können ja gar nicht richtig stehen.«
»Ich muss dabei sein«, sagte Carol. »Helfen Sie mir beim Anziehen?«
»Okay. Aber sagen Sie mir bitte, was los ist.«
Carol ächzte. »Es ist eine lange Geschichte. Und ich kenne nicht alle Einzelheiten.«
Marijke ging in die Hocke und fing an, Carol die Socken anzuziehen. »Dann fangen Sie einfach mit dem an, was Sie wissen.«
Kapitel 38
D er Fernsehsender hatte offenbar das gesamte Budget für Beleuchtung in die Studios gesteckt, dachte Petra. Wenn irgendein öffentlicher Parkplatz nachts so schlecht beleuchtet wäre, hätten sich die Parkenden darüber beklagt, dass er ein Paradies für Straßenräuber sei. Trotzdem, vermutete sie, war es hier wohl sicher genug, wenn man bedachte, wie schwer sie am Wachdienst am Tor vorbeigekommen war. Wäre Kamal statt zum Untersuchungsgefängnis zu einer Livesendung im Studio unterwegs gewesen, dann hätte Marlene ihn nie erwischt.
Sie drückte auf den Suchknopf am Radio, von der albernen Call-in-Sendung genervt, die gerade begonnen hatte. Wieso brauchte Radecki so lange? Die Sendung musste schon vor gut fünfzehn Minuten zu Ende gegangen sein. Bestimmt war er doch nicht mit dem Moderator und den anderen Gästen noch etwas trinken gegangen? Und weg konnte er auch noch nicht sein. Nachts konnte man das Gebäude nur durch den Hintereingang und über den Parkplatz verlassen. Außerdem konnte sie von da, wo sie saß, Radeckis schwarzen Mercedes mit Darko Krasics unverwechselbarem Profil hinter dem Steuer sehen.
Oh Gott, sie hoffte, dass die beiden sie zu Tony führen würden und dass er noch am Leben war. Soweit sie wusste, hätte Radecki Carol auch anlügen können. Tony war vielleicht schon tot gewesen, bevor dieser polnische Scheißkerl überhaupt in ihrer Wohnung auftauchte. Aber sie begriff nicht, wie Carols Tarnung geplatzt war. Sie waren doch so vorsichtig gewesen. Wie hatte Radecki Tony und Carol in Verbindung gebracht? Und warum hatte er Tony gefangen genommen? Wie hatte etwas, das heute früh noch völlig in Ordnung schien, sich bis zum Abend in diesen Haufen Mist verwandelt?
Na ja, vielleicht würden sie am Ende der Nacht einige Antworten haben. Sie war zuversichtlich in Bezug auf die Vorkehrungen, die sie getroffen hatte. Es gab noch drei weitere Autos außer ihrem. Der Hai fuhr einen der Männer vom Sonderkommando. Dann saßen zwei weitere in einem Polizeiauto ohne besondere Kennzeichnung. Und der Einsatzleiter fuhr seinen eigenen Geländewagen. Sie war nicht gerade begeistert, als sie erfuhr, dass er Larry Gandle und einen anderen britischen Polizeibeamten an Bord hatte, der Morgan hieß, aber sie war nicht in der Lage, ihnen zu sagen, sie sollten sich davonmachen und diese Sache der örtlichen Polizei überlassen. Wenigstens kannten alle Fahrer das System, wie man in regelmäßigen Abständen das Verfolgerfahrzeug austauschte. Sie glaubte nicht, dass es Krasic gelingen würde, sie abzuschütteln.
Der Hintereingang des Sendergebäudes ging auf, und drei Männer kamen heraus, offensichtlich ins Gespräch vertieft. Sie erkannte Radecki sofort. Normalerweise hätte sie den Rest des Teams unterrichtet, aber sie hatten Funkstille vereinbart. Bei einem so raffinierten Gaunerpaar wie Radecki und Krasic lohnte es sich, das Risiko so niedrig wie möglich zu halten. Und selbst dann konnten sie noch Verheerendes anrichten, wie die Ereignisse gerade gezeigt hatten.
Radecki schüttelte den beiden anderen
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