Ein kalter Strom
Hautfetzen daran hängen blieben. Seine Zunge fühlte sich wie eine riesige Salami an, die wie tot in seinem Mund lag. Selbst wenn er etwas hätte sagen wollen, bezweifelte er, ob er es herausgebracht hätte.
»Es war eine gute Lüge«, fuhr Radecki fort. »Irgendwie habe ich es fast geglaubt. Ich gebe zu, ich wollte es glauben. Sie ist eine schöne Frau. Na ja, ich sollte sagen, sie war eine schöne Frau. Ich glaube nicht, dass ihr Aussehen ihr in der Zukunft viel nützen wird.«
Tony versuchte, den Schmerz nicht zu zeigen, den Radeckis Worte ihm verursachten. Er hielt den Blick weiter auf ihn gerichtet und sah ihm unerschrocken ins Gesicht.
»Ich habe einen kleinen Test mit ihr gemacht, wissen Sie. Ich wusste, sie war gestern Abend ganz scharf drauf, mit mir zu schlafen, aber sie hielt sich zurück. Wenn Sie die Wahrheit gesagt hätten, hätte sie nachgegeben, vor allem wenn sie glaubte, dass ihre Zurückhaltung sie unsere Abmachung kosten würde. Aber wenn Sie gelogen hätten, hätte sie mich niemals rangelassen, oder? Weil dann alle ihre Beweise unbrauchbar wären. Wenn das jemals vor Gericht gekommen wäre, hätte mein Anwalt sie niedergemacht.« Er streckte die Arme aus und schob die Hände in die Hosentaschen, eine großspurige Geste, die Tony auch als solche erkannte.
»Und da habe ich also zu meiner Genugtuung festgestellt, dass Sie wirklich gelogen haben.« Sein Mund verzog sich zu einem humorlosen Lächeln. »Aber ich habe es ihr trotzdem gründlich besorgt, in Mund, Möse und Hintern. Sie sollten dankbar dafür sein, dass ich Sie umbringen werde, weil Sie nach dem, was ich mit ihr gemacht habe, keine Lust mehr hätten, ihr nahe zu kommen.«
Tony empfand die Bestätigung, dass sein Tod unmittelbar bevorstand, als eine Art Erleichterung. Wenigstens würde er nicht mit dieser Schuld leben müssen. Er versuchte zu reden, aber nichts kam heraus.
»Ich glaube, unser Gast braucht etwas Flüssiges, Darko.«
Krasic verschwand und kam mit einer Flasche Mineralwasser wieder, ging in die Hocke, packte Tony an den Haaren und goss ihm kaltes Wasser übers Gesicht und in den offenen Mund. Tony spuckte und würgte, aber die qualvolle Trockenheit war jetzt weg.
»Sie wollten etwas sagen, Dr. Hill?«, fragte Radecki höflich.
»Sie langweilen mich«, krächzte Tony. »Bringen Sie es doch einfach zu Ende.«
Radecki schmollte. »Was ist denn bloß mit euch Briten los? Keinen Sinn für Spaß. Diese Schlampe Carol hat sich nicht einmal gewehrt. Aber andererseits hat sie es vielleicht genossen?«
Tony fiel auf diesen durchsichtigen Köder nicht herein und blieb stumm.
»Sie wissen, warum ich Sie töten werde? Nicht weil Sie mich angelogen haben, sondern weil Ihre Leute Katerina getötet haben. Sie hatte nichts Unrechtes getan, außer dass sie mich liebte. Oh, und natürlich hatte sie das Unglück, dass sie praktischerweise einer gewissen Polizeibeamtin ähnlich sah. Damit muss ich leben.« Zum ersten Mal zeigte sein Gesicht einen anderen Ausdruck als Triumph oder Verachtung. »Genauso wie Carol Jordan mit der Tatsache leben muss, dass das, was sie ist, Sie das Leben gekostet hat.« Er zog eine Pistole aus dem Hosenbund.
Tony schloss die Augen und wartete.
Carol fasste nach dem Türgriff. »Warten Sie«, sagte Marijke.
»Warum? Petras Leute sind nicht zu sehen. Wir sind so weit gekommen, ich will dabei sein.«
»Überlegen Sie sich das«, sagte Marijke und griff nach Carols Hand. »Es ist vielleicht nicht der rechte Ort. Wenn Petra Sie sieht, wird sie wütend werden. Sie wird uns wegschicken. Sie wissen, dass wir uns gerade zum ersten Mal getroffen haben? Ich will nicht, dass sie mich für dämlich hält. Außerdem glaube ich«, redete sie trotz Carols Versuch, etwas einzuwenden, einfach weiter, »dass Sie gar nicht so weit gehen können. Wir warten ab, und wenn sie reingehen, fahren wir runter, und Sie können alles selbst sehen.«
»Es tut mir Leid, Marijke. Ich kann noch nicht richtig denken. Sie haben Recht.«
»Ich weiß, dass es schwer ist. Sie lieben ihn, ja?«
»Ja. Ich liebe ihn.« Sie hatte dies bisher vor keiner Menschenseele zugegeben. Es war ziemlich spät, jetzt damit anzufangen, aber Carol fand, sie schuldete Tony mindestens diese Bestätigung. »Aber ich vermute, er hat es nie geglaubt.«
»Sie sind ein Paar, oder?«
Carol schüttelte den Kopf. »Es ist eine komplizierte Geschichte. Die Umstände waren nie danach. Oder jedenfalls glaubten wir das.« Sie seufzte. »Ich wünschte jetzt, es
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