Ein kalter Strom
Präsidium bringen.«
»Was macht Marijke in Berlin?«, fragte Carol und klang genauso verwirrt, wie Petra sich fühlte.
»Das wissen die Götter.« Petra wählte eine Nummer und wartete ungeduldig, bis jemand abnahm. »Hallo? Hai, bist du’s? Gott sei Dank, dass du noch da bist. Pass auf, du musst etwas für mich tun. Ich hab keine Zeit, es zu erklären, aber Radecki und Krasic müssen sofort gestellt werden. Ich will, dass du mit der Kripo, der Schupo, der Verkehrspolizei redest – mit allen. Ich will, dass jeder Polizist in dieser Stadt nach ihnen sucht, und ich will sie haben, jetzt.«
Aus irgendeinem unergründlichen Anlass lachte der Hai. »He, Petra, das kommt nicht oft vor, dass ich dir voraus bin«, stieß er hervor.
»Was? Du meinst, die sind schon festgenommen?«
»Nein, aber ich kann Radecki von meinem Platz aus sehen«, sagte er.
»Was?«
»Er ist im Fernsehen. Du weißt doch, diese Live-Studiosendung, in der sie Wirtschaftsleute mit Politikern diskutieren lassen.«
»Er ist jetzt im Fernsehstudio?« Sie konnte nicht glauben, dass sie solches Glück hatte.
»Ja. Wie ich schon sagte, es ist eine Livesendung.«
»Gott sei Dank«, flüsterte Petra. »Hai, wer ist denn da?«
»Na ja, vom Dezernat nur ich. Und vom Sonderkommando sind noch drei da mit ihrem Chef. Sie tippen ihre Berichte über die Aktion auf dem Bauernhof. Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen, es hört sich so gefährlich an. Ach, und dann sind noch zwei Engländer da, die dich suchen.«
»Engländer?«
»Irgend’n Vorgesetzter, der sich Morgan nennt, und einer von den Bürohengsten aus Den Haag, Ganter oder so ähnlich.«
Plötzlich schien Berlin
der
Ort zu sein, an dem alle auftauchten. »Lass die erst mal. Sag ihnen, sie sollen mit Plesch reden. Kannst du mir den Chef vom Sonderkommando geben? Sofort, bitte, Hai.« Während Petra voller Ungeduld wartete, legte sie die Hand auf die Sprechmuschel und sprach mit Carol. »Ich kann’s kaum glauben. Radecki ist gerade bei einer Livesendung im Fernsehen. Wir können ihn beschatten lassen und hoffen, dass er uns direkt zu Tony führt.«
»Oh Gott, das stimmt. Das hatte ich vergessen. Als er hier ankam, sagte er, er müsste zum Fernsehstudio. Herrgott, was bin ich blöd«, jammerte Carol.
»Nein, das bist du nicht, du bist traumatisiert.« Sie sah auf die Uhr. »Die Sendung läuft erst seit sieben Minuten. Es ist ein 45-Minuten-Programm. Die Studios sind nur fünf Minuten von hier. Es wird klappen.« Sie hörte eine Stimme am Ohr und hielt die Hand hoch, um Carol zu signalisieren, dass sie weitersprechen musste.
»Hallo? Hier ist Becker. Passen Sie auf, ich brauche Ihre Hilfe. Wir haben eine wichtige Operation gegen einen Typen durchgeführt, der sich Tadeusz Radecki nennt. Er hat gerade eine unserer Kolleginnen vergewaltigt und zusammengeschlagen, und wir glauben, dass er jemanden umbringen will, mit dem sie zusammenarbeitet. Ich habe keine Zeit, die üblichen Kanäle zu nutzen, aber das Leben eines Mannes steht auf dem Spiel. Können Sie sich in Bewegung setzen und mich in zwanzig Minuten vor dem Studio von Kanal Fünf treffen? Können wir Radecki vom Studio aus folgen und vielleicht verhindern, dass etwas passiert?«
»Kann das nicht die Kripo übernehmen?«
Petra setzte alles daran, ihn zu überzeugen »Wir haben keine Zeit. Hören Sie, ich würde Sie nicht darum bitten, wenn es nicht äußerst wichtig wäre. Radecki und sein Kumpel Krasic gehören zu der übelsten Sorte. Drogen, Waffen, illegale Einwanderer – all das transportieren sie und sind Mörder. Sie wissen, dass sie auffliegen, und wenn wir sie jetzt nicht kriegen, könnten wir mehr als ein Leben aufs Spiel setzen.«
»Na ja, egal. Warum nicht? Also, dann sehen wir uns in zwanzig Minuten vor Kanal Fünf.«
»Sie haben bei mir ’n Gefallen gut.«
»Allerdings. Bis dann.«
Mit dem Gefühl großer Erleichterung legte sie auf. »Ich glaube, wir haben ihn«, sagte sie leise. »Wir wissen, wo er ist. Wir können ihn verfolgen und beten, dass er uns noch rechtzeitig zu Tony führt.«
Carol stand jetzt aufrecht und ging schwankend aufs Bad zu. »Er muss von hier aus direkt zum Sender gefahren sein. Tony muss noch am Leben sein.«
»Wo willst du hin?«, fragte Petra.
»Duschen. Du lässt mich doch nicht hier zurück.«
»Du bist ja verrückt. Du musst von einem Arzt offiziell untersucht werden, wir brauchen Beweise für das, was er mit dir gemacht hat.«
Carol ging unbeirrt weiter. »Das ist nicht so
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