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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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»Kann jemand mal ’n Messer hergeben?«, rief sie.
    Einer der Männer vom Sonderkommando klappte ein Schweizer Messer auf und gab es ihr. Zum zweiten Mal in dieser Nacht befreite sie einen Menschen, den sie mochte und respektierte, von seinen Fesseln. Als Arme und Beine plötzlich frei waren und sich verkrampften, stieß Tony einen schauerlichen Schrei aus.
    Morgan kniete sich neben ihn hin und massierte ihm die Beine. »Es ist scheußlich, aber es geht schnell vorbei«, sagte er.
    Tony glaubte an eine Halluzination, als er Carols besorgte Stimme hörte. »Tony? Tony, wie geht’s dir?« Er versuchte sich auf den Rücken zu wälzen, aber seine Arme waren zu schwach. Sanft fasste ihn Morgan an den Schultern und drehte ihn zur Tür.
    Petra sprang auf, Erstaunen trat auf ihr Gesicht, als sie sah, dass Carol und Marijke gekommen waren. »Was macht ihr denn hier, zum Teufel?«, sagte sie halb lachend und halb weinend.
    Carol beachtete sie nicht und ging zielstrebig auf Tony zu wie eine Taube, die in den Schlag fliegt. Gandle trat ihr in den Weg. » DCI Jordan?«, sagte er unsicher und legte eine Hand auf ihren Arm.
    »Nehmen Sie die Pfoten weg«, stieß sie wütend hervor, eilte an ihm vorbei und ging weiter. Ohne ihre eigenen Verletzungen zu spüren, kniete sie neben Tony nieder und drückte seinen Kopf gegen ihre Brust. »Es tut mir so Leid«, sagte sie mit erstickter Stimme. »So Leid.«
    Er war keiner Worte mächtig, sondern klammerte sich einfach nur an sie. Da saßen sie und waren sich kaum des Tumults bewusst, als um sie herum Sanitäter und Polizisten ins Gebäude drängten. Sie waren taub für alles, bis Radeckis Stimme durch den Lärm brüllte: »Du meinst, du hast gewonnen, du Schlampe?« Plötzlich trat Stille ein. »Ich komme vielleicht ins Gefängnis, aber im Vergleich zu dir bin ich frei. Du wirst mich nie mehr loswerden.«

Kapitel 39
    P etra schloss auf, trat ein und machte die Wohnungstür leise hinter sich zu. Es war noch früh am Abend, aber sie wollte es nicht riskieren, Tony aufzuwecken, sollte es ihm gelungen sein, einzuschlafen. Er war in ihrer Wohnung geblieben, weil sie nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus darauf bestanden hatte. Sie hatten ihn eine Nacht dabehalten, mehr wegen der möglichen Unterkühlung als wegen der akuten Verletzungen. Drei gebrochene Rippen und zwei gebrochene Finger, dazu ein zerschmetterter Backenknochen, das rechtfertigte keine weitere Belegung eines Krankenhausbetts, hatte der Arzt Petra energisch erklärt, als sie gegen die frühe Entlassung Einspruch erhoben hatte. »Die Wange wird wahrscheinlich noch operiert werden müssen, aber das kann eine Weile warten«, hatte er gesagt.
    Also hatte Petra ihn mit zu sich genommen. Sie fand nicht, dass man ihn allein lassen konnte, und nach England wollte er nicht zurückkehren, bevor Wilhelm Mann verhaftet war. Jetzt war seine Beteiligung an dem Fall bekannt und sein Profil an die deutschen Polizeikommissionen gegangen, die an den Ermittlungen der Mordfälle arbeiteten. Sie wusste, weil er es ihr gesagt hatte, dass er Anrufe von den Beamten in Heidelberg, Bremen und Köln bekommen hatte, aber sonst hatte er sich nicht dazu geäußert, außer dass sie seine Analyse ernst zu nehmen schienen. Tatsächlich hatte er zu keinem Thema viel gesagt, starrte stundenlang nur in die Luft, und scheinbar war ihm Petras Gegenwart gar nicht bewusst.
    Carol wurde natürlich von Morgan und Gandle nach Den Haag mitgenommen. Sie hatten Hanna Plesch informiert, dass sie mit Carol dort die Nachbesprechung machen und alle ihre Informationen an den Nachrichtendienst in Berlin weiterleiten würden, wo man auf Hochtouren arbeitete, um Radeckis Netzwerk in ganz Deutschland und darüber hinaus aufzudecken. Petra hatte sich darüber auch beklagt, aber das hätte sie sich sparen können. Plesch war es ganz recht, dass sie nach dem dramatischen und ungewöhnlichen Höhepunkt der Operation gegen Radecki an eine Sache weniger zu denken hatte.
    Petra hatte sich einem unangenehmen Gespräch mit ihrer Chefin unterziehen müssen, in dem es um Tonys Gegenwart in Berlin und ihre eigene Beteiligung an der Ermittlung zu der Mordserie ging. Aber als es dann so aussah, als kämen die spektakulären Einzelheiten des dramatischen Ausgangs nicht in die Medien, hatte sich Plesch beruhigt. Sie machte sich eher Sorgen wegen möglicher Fragen zur Anwesenheit einer holländischen Polizistin und zweier Angehöriger des britischen Geheimdienstes bei einer Aktion des

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