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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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dass Fanatismus in der exklusiven Atmosphäre wissenschaftlicher Forschung sehr heftig sein konnte und dass es an den Universitäten recht merkwürdige Leute gab, besonders in Bereichen wie Psychologie.
    Marijke hatte nichts dazu gesagt, denn sie wollte bei ihrem Chef nicht weitere Vorurteile gegen Universitätsabsolventen wie sie selbst schüren. Obwohl Maartens genauso viel über die modernen Methoden der Polizei wusste wie alle seine Kollegen, hing er doch manchen Einstellungen der alten Schule aus seiner Jugend an, und sie wollte die sowieso schon schwierige Ermittlung nicht noch mühevoller machen. Sie hatte die ihr zugeteilte Aufgabe, die Verbindung der Universität zu ihrer Gruppe aufrechtzuerhalten, mit einem schnellen Nicken bestätigt. Es würde fast mit Sicherheit Zeitverschwendung sein und bis nach dem Wochenende verschoben werden müssen, aber sie würde dafür sorgen, dass alles gründlich gemacht wurde.
    Tom Bruckes Ermittlergruppe war damit beschäftigt, die Nachbarschaft nach Zeugen zu durchkämmen, aber bis jetzt hatten sie keine gefunden. Niemand hatte etwas gesehen oder gehört, das irgendeinen ersichtlichen Zusammenhang mit dem Mord hatte. Es war keine Gegend, wo ein fremdes Auto sofort von den Nachbarn bemerkt wurde, und nur wenige Leute achteten auf einer Straße mit regelmäßigem Fußgängerverkehr auf einzelne Passanten. Wer immer Pieter de Groot getötet hatte, war nicht aufgefallen.
    Marijke hatte den Rest des Tages damit verbracht, eine Durchsuchung von de Groots Haus zu überwachen. Gab es etwas, das sich als Hinweis auf die bizarre Szene auslegen ließ, die sich in dem Zimmer im oberen Stockwerk abgespielt hatte? Aber sie fand nichts. Allerdings vermisste sie etwas. Es gab kein Anzeichen von einem Terminkalender, einem Kalender auf dem Schreibtisch oder einem elektronischen Notizbuch. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein Mann wie de Groot nicht irgendeine Art von Gedächtnisstütze für seine Termine in seinem Arbeitszimmer hatte. Einen der Techniker hatte sie sogar in seinem Computer nachsehen lassen, ob er dort einen elektronischen Terminkalender führte, aber auch er hatte nichts gefunden.
    Manchmal ergab das Fehlen von etwas einen Hinweis. Für Marijke bedeutete dieses Fehlen, dass wer immer Pieter de Groot umgebracht hatte, kein zufälliger Besucher war. Er war erwartet worden und hatte dafür gesorgt, dass alle Spuren des Termins beseitigt waren. Wenn sie Recht hatte, gab es vielleicht eine zweite Notiz zu dieser Verabredung in de Groots Terminkalender in der Universität. Sie nahm sich vor, unbedingt dabei zu sein, wenn ihre Mitarbeiter das Universitätsbüro betraten, und gab einem davon den Auftrag, sich darum zu kümmern, dass sie gleich am nächsten Morgen Zutritt bekämen.
    Schließlich musste sie widerwillig zugeben, dass es nichts mehr für sie zu tun gab. Ihre Gruppe widmete sich der langweiligen Aufgabe, Material und Informationen durchzugehen, die sich wahrscheinlich als unnütz erweisen würden. Man brauchte sie nicht. Sie konnte der Ermittlung jetzt am besten dienen, indem sie nach Hause ging und sich das Wenige, was sie wusste, im Kopf herumgehen ließ. Sie fand manchmal, dass Schlafen das Sinnvollste war, was sie tun konnte, weil sich beim Aufwachen am ehesten neue Ansatzpunkte entdecken ließen.
    Aber Marijke war klar, dass sie nicht so bald würde schlafen können. Sie goss sich ein Glas Wein ein und setzte sich vor ihren Computer. Einige Wochen zuvor hatte sie sich bei einer Online-Newsgroup für lesbische Polizeibeamtinnen angemeldet. Es war kein Problem, Lesbierin und zugleich niederländische Polizistin zu sein, und sie fühlte sich auch keineswegs wie in einem Ghetto. Aber manchmal half es ihr, etwas zu haben, was ihr ureigenster Bereich war. Und über die Newsgroups waren enge Freundschaften mit ein paar anderen Frauen bei der Polizei entstanden, deren Weltsicht erfreulich mit ihrer übereinstimmte. Ja, zu einer deutschen Kollegin hatte sie eine besonders herzliche Beziehung. Petra Becker war bei der Kriminalpolizei in Berlin, und wie Marijkes war auch ihre Stellung gehoben genug, dass sie nicht mit rückhaltloser Offenheit und im Vertrauen mit ihren Kollegen sprechen konnte. Wie Marijke lebte Petra allein, ebenfalls ein Opfer der aufreibenden Auswirkung ihres Berufs auf zwischenmenschliche Beziehungen. Zuerst waren sie sehr vorsichtig und setzten sich von der Newsgroup in Extra-Chatrooms ab, wo sie offener über ihre Gedanken und Gefühle schreiben

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