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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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die Absicht, es ihm leicht zu machen. Den Verkehr der Rushhour mit den vielen Pendlern zu nutzen, konnte nur von Vorteil für sie sein. Trotzdem sprang sie erst im letzten Moment aus der U-Bahn und fuhr drei Haltestellen zurück, bevor sie zur Straße hinaufstieg und einen Bus nahm.
    Als sie in die stille Seitenstraße einbog, war niemand hinter ihr. Aber das hieß keineswegs, dass ihr nicht doch scharfe Augen folgten. Sie ging die drei Stufen zur Haustür hinauf, die ihr angegeben worden war. Die Farbe war vom Londoner Schmutz bedeckt, aber in relativ gutem Zustand. Sie drückte auf den Klingelknopf und wartete. Lange Sekunden gingen vorbei, dann öffnete sich die Tür ein paar Zentimeter. Ein blasses Gesicht mit dunklen Bartstoppeln und einem Schopf stacheliger schwarzer Haare sah sie an. »Ich will zu Gary«, sagte sie, wie ihr aufgetragen war.
    »Wer bist du?«
    »Jasons Freundin.« Wieder befolgte sie ihre Anweisung.
    Die Tür wurde aufgemacht, und der Mann achtete darauf, dass er, als er sie eintreten ließ, von der Straße aus nicht zu sehen war. »Ich bin Gary«, sagte er und führte sie ins vordere Zimmer. Er war barfuß, trug verwaschene 501-Jeans und ein überraschend sauberes weißes T-Shirt. Schmuddelige Stores hingen am Fenster und versperrten den Blick auf die Straße. Der Teppich hatte einen undefinierbaren Farbton zwischen Braun und Grau und war vor der durchgesessenen Couch, die vor einem großen NICAM -Fernseher mit DVD -Player stand, fast bis auf das Gewebe der Rückseite abgetreten. »Setz dich«, sagte Gary und zeigte auf das Sofa. Es war nicht gerade ein verlockendes Angebot. »Ich bin gleich wieder da.«
    Er ließ sie mit der Unterhaltungselektronik allein. Bei dem Spieler lag ein Stoß DVD s, aber das war die einzige persönliche Note im Raum, der sonst etwa so einladend wie ein Vernehmungsbüro der Polizei war. Wenn man nach den Titeln ging, war Gary wohl ein Fan gewalttätiger Actionfilme. Es gab keinen einzigen Film, den zu sehen Carol Geld ausgegeben hätte, und um einige von ihnen nicht sehen zu müssen, hätte sie gern mit barer Münze gezahlt.
    Gary war weniger als eine Minute weg. Er kam mit einer in Plastik verpackten Tüte mit weißem Puder zurück und hielt in der anderen Hand eine selbst gedrehte Zigarette, deren Rauch unverkennbar nach Gras roch. »Das ist die Ware«, sagte er und warf ihr das Päckchen zu. Carol fing es auf und dachte erst danach daran, dass jetzt überall ihre Fingerabdrücke drauf waren. Sie merkte sich, dass sie die Oberfläche abwischen musste, sobald sich eine Gelegenheit bot. Sie hatte keine Ahnung, ob sie jetzt den echten Artikel mit sich herumtragen würde, bezweifelte es allerdings. Aber was sie nun wirklich nicht brauchen konnte, wäre ein pflichteifriger Polizist, der nichts mit dieser Aktion zu tun hatte, sie anhielt und aufgrund ihrer Fingerabdrücke mit einem Pfund Kokain überführte.
    »Und wo soll ich es abgeben?«
    Gary setzte sich auf die Sofalehne und nahm einen tiefen Zug aus dem dünnen Joint. Carol betrachtete sein schmales Gesicht genau und merkte sich die einzelnen Züge, wie sie es gewohnt war. Nur für alle Fälle. Dünne, lange Nase, hohle Wangen. Tief sitzende braune Augen. Ein einfacher silberner Ring an der linken Augenbraue. Vorspringendes Kinn mit deutlichem Überbiss. »In der Dean Street ist eine Café-Bar«, sagte er. »Damocles heißt sie. Der Typ, den du treffen sollst, sitzt am Ecktisch hinten bei den Toiletten. Du gibst ihm das Zeug und bekommst ein Bündel Noten von ihm. Du bringst die Kohle hierher zu mir. Klar?«
    »Woher weiß ich, dass es der richtige Typ ist? Ich meine, was ist, wenn er den Tisch nicht kriegen kann?«
    Gary rollte mit den Augen. »Er liest eine
Q.
Und er raucht Gitanes. Reicht das? Oder willst du seine Schrittlänge haben?«
    »Eine Beschreibung würde helfen.«
    »Träum ruhig weiter.«
    »Oder ein Name?«
    Gary lächelte mit schiefem Mund und zeigte seine geraden Zähne, die wie fleckiges Elfenbein aussahen. »Na, da kannst du lange warten. Pass auf, tu’s einfach, ja? Ich erwarte dich hier bis spätestens zwei.«
    Carol steckte das Päckchen in ihre Schultertasche zwischen die Leggings und wischte es damit ab. Es war ihr egal, wenn Gary es sah. Es würde nicht schaden, einen Zeugen für ihre Umsicht zu haben, wenn er, wie sie vermutete, einer von Morgans Beobachtern war. »Bis später dann«, sagte sie und versuchte ihre Abneigung zu verbergen, die zu zeigen unvernünftig gewesen wäre. Denn es

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