Ein kalter Strom
oder nicht, jemand muss dafür büßen.«
»Dagegen sage ich ganz bestimmt nichts. Und wenn es eine Möglichkeit gäbe, herauszufinden, wer das Motorrad gefahren hat, wäre ich der Erste, der den Scheißkerl bezahlen lassen würde. Aber man kriegt ihn unmöglich zu fassen.«
Plötzlich verließ Tadeusz alle Kraft. Er sank auf einem Sessel zusammen und ließ den Kopf zurückfallen. Eine einzelne Träne rann aus seinem Augenwinkel über die Wange herab. Krasic stand beim Anblick dieses tiefen Gefühls verlegen auf. »Es tut mir Leid, Tadzio«, sagte er schroff.
Tadeusz wischte die Träne mit dem Handballen weg. »Du hast dein Bestes getan, Darko«, sagte er. »Du hast Recht, es ist Zeit, loszulassen. Zeit, nach vorn zu sehen.« Ein schwaches Lächeln gelang ihm. »Ich sehe dich morgen. Es ist Zeit, dass wir über die Zukunft nachdenken.«
Obwohl es Krasic schmerzte, seinen Chef so bedrückt zu sehen, verließ er mit federnden Schritten die Wohnung. Es sah aus, als könnten sie sich allmählich wieder auf die Geschäfte konzentrieren. Er hatte selbst die eine oder andere Idee und vermutete, dass die Zeit bald reif sein würde, sich damit zu befassen. Wenn ihm das geheimnisvolle Motorrad, das Katerinas Tod verursacht hatte, noch im Kopf steckte und Sorge bereitete, wollte er jedenfalls jetzt nicht mehr daran denken. Paranoia war etwas für schwache Gemüter, und zu denen gehörte Krasic nicht.
Kapitel 21
T ony betrat die Ankunftshalle des Flughafens Tegel und ließ den Blick über die versammelte Menge schweifen, die zum Abholen gekommen war. Auf der einen Seite sah er eine große, schlanke Frau mit hochgestyltem schwarzem Haar, die ein kleines Schild mit der Aufschrift »Hill« hielt. Er ging auf sie zu, ein vorsichtiges Lächeln auf den Lippen. »Petra Becker?«, fragte er.
Sie streckte die Hand aus, und sie begrüßten sich. »Dr. Hill. Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennen zu lernen.«
»Tony, bitte«, sagte er. »Danke, dass Sie hergekommen sind, um mich abzuholen.«
»Kein Problem. Sie haben mir das Gespräch mit einem meiner Kollegen erspart, der sich über die unmögliche Aufgabe beklagt, eine vermisste Sechsjährige zu finden.«
Er hob fragend die Augenbrauen. »Ich dachte nicht, dass Sie für diese Art Fälle zuständig sind.«
Petra lachte leise. »Normalerweise nicht. Diese besondere Sechsjährige wird aber von Carols Freund Radecki als Geisel festgehalten, um von ihrer Mutter ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen. Und ich will, dass die Mutter mit mir zusammenarbeitet, deswegen muss ich das Kind finden. Aber darüber brauchen Sie sich nicht den Kopf zu zerbrechen. Es gibt Wichtigeres, mit dem Sie sich befassen werden. Und wenn es irgendwas gibt, wobei ich helfen kann, fragen Sie einfach.«
Sie hatte schon allerhand getan, dachte er, als er ihr zum Auto folgte. Nachdem er Carols E-Mail gelesen hatte, buchte er den ersten Flug nach Berlin, teilte der Abteilungssekretärin mit, es gebe einen plötzlichen Todesfall in seiner Familie und er nehme ab sofort Sonderurlaub. Carol konnte er nicht anrufen, das wusste er, aber er hatte Petra Beckers Namen und die Information, dass sie für den Nachrichtendienst arbeitete. Nach einigen Anrufen hatte er sie gefunden, und sie reagierte begeistert auf die Nachricht, dass er nach Deutschland kommen würde. Er gab den Grund für seine plötzliche Entscheidung erst gar nicht an, denn er wollte nicht, dass sie ihren Entschluss revidierte und ihn vielleicht nicht mit an Bord haben wollte, weil er zu einem der Opfer eine zu enge Beziehung hatte.
»Ich brauche eine Unterkunft«, hatte er zu Petra gesagt. »Es würde helfen, wenn Sie mir im selben Haus, in dem Carol wohnt, etwas buchen könnten. Ich weiß, dass ihr wahrscheinlich immer jemand folgt. Deshalb wäre es wichtig, dass wir uns an einem Ort treffen können, wo wir nicht gesehen werden. Im gleichen Gebäude zu wohnen dürfte uns das erleichtern.«
Nachdem sie den Flughafen hinter sich gelassen hatten, sagte Petra: »Ich habe Ihnen ein Apartment in Carols Haus besorgen können. Sie sind zwei Stockwerke unter ihr, aber es wird leicht sein, zu kommen und zu gehen, ohne dass jemand Sie sieht.«
»Danke«, sagte er. »Ich höre, dass Sie sich zu den Nachbesprechungen in einem Fitnesscenter für Frauen treffen?«
»Ja, das stimmt. Aber ich fürchte, dort werden Sie nicht dazukommen können«, sagte Petra mit einem Grinsen.
»Nein, aber ich kann Carol im Apartment treffen und Sie vermutlich in Ihrem Büro? Ich
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