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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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eine Märtyrerrolle gemacht. Er beklagte sich über das langweilige Leben als Hausmann und darüber, dass er jetzt nach dem Verlust seiner Stelle bei der Forschungsabteilung einer pharmazeutischen Firma arbeitslos geworden war und auf das Kind aufpassen musste. »Wenn ich mich den ganzen Tag um ein Kind kümmern muss, ist es natürlich unmöglich, mich beruflich auf dem aktuellen Wissensstand zu halten«, jammerte er beim Essen. »Margarethe hat’s gut, sie kann die Höhen der akademischen Welt erklimmen, aber ich stecke hier in der Provinz fest, wo mein Geist verkümmert.«
    Tony war klar, dass Kurt diese Rolle nicht aus purer Notwendigkeit, sondern aus Trägheit spielte. Laut Margarethe hatten seine Eltern ihm so viel Geld hinterlassen, dass er das Haus kaufen konnte und noch etwas übrig hatte. Also hatte Kurt die Chance der Arbeitslosigkeit mit der Absicht ergriffen, von jetzt ab zu privatisieren. Als Margarethe Tony davon erzählte, lächelte sie boshaft. »Als er mir sagte, wie er sich entschieden hatte, entließ ich sofort das Kindermädchen. Dagegen konnte er nicht viel sagen, weil es bedeutet hätte, dass er keine Zeit mit seinem Sohn verbringen wollte. Aber er hat mir das nie verziehen.«
    Damals hatte Tony dies bei einer Frau, die sich beruflich mit dem Labyrinth des menschlichen Seelenlebens befasste, als psychologisch außergewöhnlich ungeschickt empfunden. Es sei denn, sie wünschte sich das Scheitern ihrer Ehe. Was mit deprimierender Unvermeidbarkeit auch eingetroffen war, wie er der Weihnachtspost und ihren gelegentlichen E-Mails entnahm. Aber sie hatte nicht erwartet, dass Kurt Hartmut nicht aufgeben wollte, und Tony konnte zwischen den Zeilen lesen, dass der Verlust ihres Sohnes Margarethe tief getroffen hatte.
    Und wenn er jetzt diesem Bericht Glauben schenken durfte, hatte Margarethes Sohn sie nun für immer verloren. Tony konnte es nicht fassen. Ein solcher Tod hatte etwas so schrecklich Zufälliges.
    Für Margarethe war es zu spät. Aber für andere vielleicht noch nicht. Wenn ihm dies auch die Gelegenheit gab, der Hetzjagd der Presse zu entkommen, die nach Kommentaren über Jacko Vance lechzte, wenn seine Arbeit ihn auch fürchterlich langweilte und er in Carols Nähe sein wollte, war das Ausschlaggebende für ihn doch, dass er Leben retten wollte.
    Was auch geschehen mochte, er hatte seine Entscheidung getroffen.
     
    In der halben Stunde, bevor sie Marijke im Chatroom erwarten konnte, surfte Petra im Netz und sah sich mehrere Websites zu Serienmördern daraufhin an, ob sie Ähnlichkeiten zwischen den beschriebenen Fällen und den besonderen Eigenheiten ihres eigenen Mörders entdecken konnte. Aber ihre Suche war ergebnislos. Die abartigen Gemüter, deren Taten mit grausiger Detailtreue geschildert wurden, hatten weder diese Art des Ertränkens als Mordmethode gewählt, noch konnte sie Fälle von Schamhaarskalpierung finden; aber sie hatte den medizinischen Namen dafür entdeckt: Gynälophismus. Allerdings half ihr das nicht weiter bei der Suche nach dem Motiv des Mörders.
    Wie meistens beim Surfen war Petra überrascht zu sehen, wie schnell die Zeit vergangen war. Zu dem Treffen mit Marijke kam sie schon vier Minuten zu spät. Hastig wechselte sie in den Diskussionsraum hinüber, wo Marijke versuchte, sich aus einer Debatte zwischen zwei Schwulen und einer bisexuellen Frau über die europäischen Menschenrechtsgesetze herauszuhalten. Sie kündigte sich mit einem Doppelklick auf Marijkes Namen an, um sie in den privaten Chatroom zu rufen.
    Petra:
Tut mir Leid, dass du warten musstest, ich war im Netz unterwegs.
    Marijke:
Macht nichts. Ich bin selbst eben gerade gekommen. Also, wie ist Carol Jordan?
    Petra:
Sehr professionell. Sehr klug. Sie fasst alles sehr schnell auf, und ich glaube, sie hat den Mut, diese Aufgabe zu bewältigen.
    Marijke:
Und kann man gut mit ihr klarkommen?
    Petra:
Sehr leicht. Man merkt, dass sie in der Praxis gearbeitet hat, nicht im Büro, wo man nur hinter dem Schreibtisch sitzt und vergisst, wie das Leben für uns da draußen ist. Ich glaube, wir werden ein gutes Team sein. Sie scheut sich nicht, auf Ratschläge zu hören.
    Marijke:
Ich halte dir die Daumen. Hast du Gelegenheit gehabt, mit ihr über die Morde zu sprechen?
    Petra:
Ja, Jordan hatte eine gute Idee. Sie meint, du solltest deinen Chef überreden, die Details dieses Mordes an Europol zu schicken, mit der Anfrage, ob es irgendetwas über ähnliche Fälle gibt. Dann wird Europol es an die Polizeikräfte

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