Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Das wäre nicht »die rechte Weise« gewesen.
In einem Sommer habe ich ihm geholfen. Das war 1968, das Jahr, in dem die Tiger die World Series gewannen. Ein Jahr High School hatte ich noch vor mir, dann wollte ich mich auf die Zweite Liga im Baseball vorbereiten, statt aufs College zu gehen. Er war darüber überhaupt nicht glücklich. Aber er sprach nicht viel darüber. Eines Nachmittags verfing sich die Spitze der Kettensäge in einem Balken, und ich schnitt mir fast ein Ohr ab. Er fuhr mich ins Krankenhaus im Soo, während ich einen Lappen gegen meinen Kopf preßte. »Offenbar lernst du lieber auf die harte Tour«, sagte er. »Ich wäre auch gern noch mal jung und blöd.« Dann sprach er weiter und meinte, ich würde keinen Tag in der Zweiten Liga überleben, wenn meine Würfe auf Base zwei weiter so eierten. Als er jung war, hatte er selbst längere Zeit Baseball gespielt. Er erzählte mir wieder vom Vier-Nähte-Drill, obwohl ich das schon hundertmal gehört hatte. »Als ich so alt war wie du, hatte ich jede halbwegs freie Sekunde einen Baseball in der Hand. Du nimmst ihn dir und drehst ihn so, daß du vier Nähte quer zu deinen Fingern spürst. Nimm ihn, dreh ihn, immer und immer wieder, bis er ein Teil von dir wird. Dann eiern deine Würfe auf Base zwei auch nicht mehr.«
War das wirklich schon dreißig Jahre her? Er starb zwei Jahre, nachdem ich bei der Polizei ausgeschieden war. Ich versuchte immer noch mit dem, was geschehen war, fertigzuwerden und lebte von meiner Berufsunfähigkeitsrente, immerhin drei Viertel meines Gehalts. Ich war hierhergekommen, um das Grundstück und die Hütten zu verkaufen. Er hatte inzwischen noch fünf mehr gebaut, jede größer und besser als die vorige. Als ich beschloß, eine Weile zu bleiben, zog ich in die erste Hütte, obwohl sie die kleinste war und Lücken zwischen den Balken aufwies, durch die Kälte eindrang. Ich bin sicher, daß das die Balken waren, die ich zugeschnitten und gelegt hatte, damals, als ich noch jung und blöd war.
Später verbrachte ich einen ruhigen Sonntag im Glasgow und las bei einem Steak und einem kalten kanadischen Bier die Zeitung. Der Mord war für die Sonntagsausgabe zu spät passiert, und so mußten die guten Leute im Chippewa County noch einen Tag warten, bis sie davon erfuhren. Gewaltsame Todesfälle waren hier draußen nichts Ungewöhnliches, nur war normalerweise der See verantwortlich. Vielleicht vier oder fünf Menschen pro Jahr, von einem plötzlichen Sturm überrascht. Mord war da schon etwas anderes. Er würde jeden hier etwa zwei Wochen lang nervös und ängstlich machen, und dann würden sie vergessen, daß er jemals passiert war.
»Guten Abend, Alex.«
Ich blickte von meiner Zeitung auf. Edwin stand hinter dem Stuhl auf der anderen Seite des Tisches.
»Setz dich«, sagte ich, und er tat es.
»Na«, sagte er. »Irgendwas Interessantes in der Zeitung?«
Ich blickte ihn an und blätterte um. »Heute nicht«, sagte ich. »Morgen wird sie schon etwas aufregender sein.«
»Klar, das weiß ich«, sagte er. »Hat mich doch vorhin wirklich schon ein Reporter angerufen – kannst du dir das vorstellen?«
»Ein Reporter hat dich angerufen? Wie ist er denn an deinen Namen gekommen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Aber du weißt doch, wie so Reporter sind.«
»Mm.«
»Natürlich habe ich deinen Namen nicht genannt«, sagte er. »Ich meine, ich habe ihnen nicht erzählt, daß du dahin gekommen bist, um mir zu helfen. Ich dachte, das ist das mindeste, was ich tun kann.«
»Hm.«
»Es tut mir wirklich leid, Alex. Ich hätte dich damit gar nicht erst belästigen sollen.«
»Edwin, kann ich dich mal was fragen?« Ich legte die Zeitung nieder und sah ihm in die Augen. Er trug an diesem Tag ein rotes Flanellhemd, wohl um wie ein Einheimischer auszusehen. Es funktionierte nicht.
»Na klar. Schieß los. Was du willst.«
»Wieso konnte es passieren, daß du überhaupt mit dem Kerl zu tun bekommen hast? Hast du mir nicht erzählt, daß du mit dem Wetten aufhören wolltest?«
»Das habe ich«, sagte er. »Das habe ich gesagt.«
»Du hast mir hier gegenüber gesessen, genauso wie du jetzt da sitzt«, sagte ich. Ich blickte mich in dem Raum um. »Nein, es war da drüben. An dem Tisch da direkt unterm Fenster. Erinnerst du dich? ›Ich, Edwin J. Fulton der Dritte, gebe hiermit kund und zu wissen, daß ich dem Glücksspiel für immer entsage, daß ich nach Hause gehen und Sylvia ein guter Gatte sein werde und daß Alex nie wieder
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