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Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Titel: Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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irgendwem sonst. Ich warf mir meinen Mantel über und ging nach draußen. Die Sonne war hinter den Wolken vorgekommen, vielleicht zum letzten Mal vor Winteranbruch. Ich ging meine Zufahrtsstraße entlang, überquerte die Landstraße und verschwand im Wald. Mitten in der Rotwildsaison war das sicher keine gute Idee. Das Gesetz schreibt vor, daß man sich im Staate Michigan bei der Jagd leuchtend orange kleidet, aber auch wenn man nicht jagte, wäre man ein Narr, wenn man sich ohne orangefarbene Kleidung in den Wald begab. Es gab Gott weiß wie viele halbbetrunkene Leute aus den Städten im Süden des Staates, die in den Wäldern herumstolperten, um auf alles zu schießen, was sich bewegte. Aber mir war das egal. Wenigstens heute.
    Ich ging einen Pfad entlang bis zum See, durch Lärchen und Kiefern, und dann am Seeufer entlang nach Norden. An diesem Abschnitt gibt es keine Sandstrände, nichts Sanftes und nichts Einladendes. Statt dessen Felsen, mehr Felsen, als es Sterne am Himmel gibt, vom Wasser gehämmert und ausgehöhlt, seit die Gletscher zurückwichen. Viel Treibgut hing an den Felsen vom Sturm der letzten Nacht, Treibholz und spärliche Reste eines ehemaligen kleinen Nachens. Das Wasser war jetzt verhältnismäßig ruhig, aber es strahlte diese Novemberstimmung aus, die Bereitschaft, jederzeit wieder gewalttätig zu werden.
    Eine Stunde mußte ich so nach Norden gegangen sein, an den letzten Bootsländen vorbei bis zur wilden Küste bar jeder Spur menschlichen Lebens. Hier gab es mehr Birken, zusammen mit Balsamtannen und Schwarzkiefern. Hier war ich von allem weit genug entfernt, hier konnte ich es wagen, über die letzte Nacht nachzudenken. Also, da hatte jemand einen Buchmacher umgebracht. Damals in Detroit hatte ich viele Buchmacher gekannt. Ich konnte mich daran erinnern, zwei verhaftet zu haben. Sie trugen es mit Fassung. Es gehörte zum Spiel. Du wirst geschnappt, du zahlst deine Strafe, du kehrst zu deinen Geschäften zurück. Sah man einmal davon ab, war es eine sehr eintönige Lebensweise. Man sitzt den ganzen Abend am Telefon und nimmt Wetten entgegen. Die meisten Kunden von Buchmachern sind biedere Leute. Einige sind sogar Polizisten. Dafür, daß er ein Krimineller ist, ist ein Buchmacher im Grunde ein anständiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft. Warum wurde dieser Bursche dann in seinem Motelzimmer regelrecht abgeschlachtet?
    Er hatte irgend jemanden nicht bezahlt. Bei irgend jemandem oben in der Hierarchie hatte sich die Idee festgesetzt, der Junge nehme sich Freiheiten heraus. Und so schalteten sie ihn aus. Ich bin sicher, daß das passiert. Nicht jeden Tag, aber es passiert.
    Wer auch immer es war, der Mörder hatte offenbar alles sorgfältig geplant. Allem Anschein nach benutzte er wohl einen Schalldämpfer. Aber warum ihm die Kehle durchschneiden? Man schoß ihm einfach ins Gesicht. Wenn er dann noch nicht tot ist, ist er es zwei Minuten später. Warum im Zimmer so eine Sauerei anrichten? Jemand, der hauptberuflich Leute umbringt, macht das einfach nicht, es sei denn, er will damit eine Botschaft hinterlassen. Für andere Buchmacher, die denselben Fehler machen könnten? Vielleicht. Vielleicht war es aber auch rein persönlich gemeint.
    Ich warf ein paar Steine ins Wasser, bis meine Schulter sich beschwerte. Die Sonne verschwand hinter einer Wolke, der Wind frischte wieder auf. Die Wellen begannen, lebhafter gegen die Felsen zu klatschen. Als ich den Rückweg antrat, hob ich einen Stein auf und steckte ihn mir in die Tasche – als Glücksbringer.
    Auf dem Weg zurück zur Hütte ging ich erheblich schneller. Nachdem ich alles einmal überdacht hatte, nachdem ich Distanz gewonnen hatte zwischen mir und einem sinnlosen Akt der Gewalt, der mit mir nichts zu tun hatte, fühlte ich mich etwas besser. Ich stapfte jetzt über die Steine wie ein Mann, der zu einem festen Punkt zurückkehrt. Und außerdem wurde es mir verdammt kalt.
    Diesmal achtete ich auf Jäger, als ich durch den Wald ging. Die sechs Hütten, die mir gehörten, zogen sich einen alten Holzweg entlang. Mein alter Herr hatte das Land in den frühen Sechzigern gekauft, fuhr jedes Wochenende hierhin, schlug Lichtungen in den Wald und plante die erste Hütte. Er baute sie ganz altmodisch, einfach »auf die rechte Weise«. Man nimmt einen kernigen Kiefernstamm und kerbt ihn von oben bis unten mit der Kettensäge so ein, daß jeder Balken perfekt auf den andern paßt. Zwischenräume, die man ausfüllen mußte, gab es bei ihm nicht.

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