Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
wir, normalerweise fünfhundert Dollar. Auch mal tausend. Mehr brauchte ich nicht. Ich konnte mich für den Rest der Woche entspannen.«
»Und wie lange machst du das schon?«
»Seit zwei Monaten. Exakt seit die Spielzeit wieder begonnen hat. Es hat sogar gut geklappt. Bis zu diesem blöden Brigham-Young-Spiel. Es war nicht zu fassen, zwei Minuten noch zu spielen, und sie führen mit zwanzig Punkten. Zwanzig Punkte! Und dann fangen sie sich zwei müllige Touchdowns ein. Ich hatte sieben gewettet und so mit nur einem Punkt verloren. Diese Mormonen, sie haben einfach keine Verteidigung, das ist mein Problem.«
»Eine Mormonenmannschaft ohne gute Verteidigung? Das hältst du für dein Problem?«
»Das war doch ein Witz, Alex. Ich weiß, was mein Problem ist. Als ich den Kerl da tot liegen sah, war das wie ein Fanal für mich. Das könnte mir eines Tages auch passieren, wenn ich nicht reinen Tisch machte.« Er nahm einen langen Schluck aus seinem Glas und lehnte sich im Stuhl zurück.
»Was willst du damit sagen?«
»Ich will damit sagen, daß ich mit dem Glücksspiel fertig bin. Für immer. Und diesmal meine ich es auch.«
»Würdest du darauf wetten?«
Er lachte.
»Die Anonymen Spieler. Sie stehen im Telefonbuch.«
»Du hast recht. Morgen rufe ich sie an.«
»Okay.«
»Und jetzt gehe ich nach Hause. Ich gehe nach Hause zu meiner Frau.«
»Edwin«, sagte ich. »Wenn du durch diese Tür gehst und ins Kasino fährst, werde ich dich dort finden und dich mit bloßen Händen umbringen.«
»Ich gehe nach Hause, Alex. Das verspreche ich.«
»Dann geh schon.«
»Dank dir, Alex. Laß mich für dich zahlen.«
»Das brauchst du nicht.«
»Das möchte ich aber.«
»Nun geh schon.«
»Ich möchte dein Essen bezahlen.«
»Raus!«
»Ich bezahle dein Essen. Daran kannst du mich nicht hindern.« Er ging zum Tresen und schob Jackie ein paar Scheine in die Hand, wobei er auf mich zeigte. Dann winkte er noch mal und war durch die Tür.
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Irgendwas war an dem Mann, daß ich es nicht über mich bringen konnte, ihn zu hassen. In gewisser Weise war er wie mein alter Partner Franklin. Edwin war knapp einsfünfundsechzig, hatte eine Figur wie ein Gurkenfäßchen, war so weiß, wie ein Mann nur sein kann, hatte Geld wie Dreck und war ein krankhafter Spieler. Franklin dagegen war gut einsfünfundneunzig, wohl zweihundertzwanzig Pfund schwer, Ex-Footballspieler, schwarz und ständig in Geldnot, wie jeder andere kleine Polizist in Detroit auch. Und er beteiligte sich nicht mal mit fünf Dollar an unserer Wettgemeinschaft. Aber irgendwie wirkten die beiden auf mich völlig gleich.
»Du bist mein bester Freund, Alex.« Edwin hatte mir das eines Abends gesagt, als wir hier in dieser Kneipe saßen. Er hatte gerade seinen dritten Manhattan ausgetrunken, aber ich wußte, daß da nicht der Alkohol sprach. Er sagte es, als ob es etwas bedeute, als habe er lange Zeit darüber nachgedacht und schließlich den Mut aufgebracht, es mir zu sagen.
Franklin hatte nicht die Chance bekommen, es selbst zu sagen. Wenigstens nicht mir gegenüber. Ich mußte es aus zweiter Hand erfahren, als er schon tot war und ich seine Witwe traf. »Er hat immer von Ihnen erzählt«, sagte sie. »Die Auseinandersetzungen, die Sie immer über den Sport hatten. Und auch, wie oft Sie ihm geholfen haben. Er hat wirklich zu Ihnen aufgeblickt, Mr. McKnight. Ich weiß, daß er Ihnen das in Millionen Jahren nicht gesagt hätte, aber Sie sollten es wissen, daß er in Ihnen seinen besten Freund gesehen hat.«
Als ich an Franklin dachte und an das, was mit ihm geschehen war, verschwand das Lächeln gleich wieder.
Ich fuhr nach Hause. Die Nacht war wieder stürmisch. Bevor ich zu Bett ging, stand ich im Badezimmer und blickte auf die Flasche mit meinen Pillen. Du brauchst sie nicht, sagte ich zu mir. Ich betrachtete mich im Spiegel. Du brauchst diese Dinger nicht. Ich rieb die Narben auf meiner Schulter. So weh tut das nicht mehr. Du brauchst keine Pille, um einzuschlafen. Und wenn du von Franklin träumst, kannst du damit auch umgehen. Es war vierzehn Jahre her.
Ich konnte den Wind durch die Spalten in den Wänden pfeifen hören.
Du brauchst sie nicht mehr. Du bist stark genug ohne sie.
Ich öffnete das Fläschchen. Dann schloß ich es wieder. Ich stellte die Pillen zurück ins Medizinschränkchen und knipste das Licht aus.
Ich schlief eine Zeitlang. Dann klingelte wieder das Telefon. Ich blickte auf die Uhr. Es war
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