Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Polizei. Acht Jahre Dienst. Zwei Auszeichnungen für herausragende Leistungen. Nicht schlecht. Im Dienst verwundet 1984. Kurz danach Pensionierung wegen Berufsunfähigkeit. Dreiviertel Gehalt für den Rest des Lebens ist auch nicht ganz schlecht, wie? Natürlich ist das nur fair, wenn ein Mann im Dienst verwundet wird.« Er blickte mich über seine Lesebrille an. »Und in Ihrem Fall besteht die Behinderung in …?«
Ich blickte ihn lange an. »Ich habe drei Schüsse abbekommen«, sagte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Scheußlich, wenn so was passiert.« Er sah mich lange an und wartete darauf, daß ich ihm die Geschichte erzählte. Als ich das nicht tat, blickte er wieder in die Papiere. »Hierhin gezogen, wo steht das noch mal? Ah, hier steht es. In diese Gegend gezogen 1985. Seitdem immer hier gelebt. Komisch, die meisten Leute mit einer Behinderung würden nach Florida oder Arizona ziehen, irgendwohin, wo es warm und schön ist. Aber Sie sind nun mal hier.«
Ich sagte nichts.
»Ihre Entscheidung«, sagte er. »Jedenfalls, sehen wir mal, im Juli haben Sie Ihren Antrag eingereicht, im August Ihre Lizenz bekommen. Sieht ganz so aus, als hätte jemand das ganz schön schnell durchgezogen. Sie haben offensichtlich Freunde ganz hoch oben.«
Ich saß nur da und beobachtete ihn. Erinnerungen überkamen mich. Das gute alte Platzhirsch-Gehabe, wie es Polizisten so lieben, wie oft hatte ich es erlebt. Gelegentlich war ich selbst hineingeraten. Es war so leicht. Das Problem war nur, es wurde immer schwerer, wieder aus dieser Rolle zu fallen, wenn der Dienst vorbei war. Das war nicht gerade das Gehabe, das man mit nach Hause nehmen sollte. Fragen Sie mal meine Exfrau.
»Nun, Mr. McKnight«, sagte er und nahm die Brille ab, »in Anbetracht der Tatsache, daß Sie noch recht neu in Ihrem Geschäft als Privatdetektiv sind, würde ich Ihnen gern zwei kleine Geschäftstricks verraten. Stört es Sie, wenn ich das tue?«
»Nur los«, sagte ich.
»Nun gut. Zu allererst einmal, wenn ein Privatdetektiv in einem Polizeibezirk seine Arbeit aufnimmt, verlangt es die allerprimitivste Höflichkeit, auf der Polizeiwache vorbeizuschauen und die Leute dort wissen zu lassen, wer Sie sind und was Sie machen. Nicht daß mir viel an solchen Formalitäten gelegen ist, weiß Gott nicht. Bestimmt nicht, mein Herr. Aber irgendwann in einem langen Leben werden Sie mal auf einen Polizeichief stoßen, der überhaupt nicht begeistert ist, wenn Sie in seiner Stadt arbeiten und Sie haben sich nicht mal vorgestellt.«
»Da haben Sie völlig recht.«
»Zweitens, und das ist mir noch wichtiger, würde ich vorschlagen, daß Sie beim nächsten Mal, wenn Edwin Fulton Sie mitten in der Nacht anruft und Sie bittet, zum Tatort eines Schwerverbrechens zu kommen, sich die Zeit nehmen und zurückfragen, nur um sich zu vergewissern, ob er auch als erstes die Polizei alarmiert hat. Im Grunde würde ich noch weiter gehen und annehmen, daß er die Polizei nicht angerufen hat. Das scheint schließlich nicht gerade seine starke Seite zu sein. Aber Sie, natürlich, Sie sind ein ehemaliger Polizist und wissen, wie wichtig es für einen Polizeibeamten ist, am Tatort zu sein, bevor alle Freunde und Nachbarn dort eintreffen, Sie sollten einfach selbst die Polizei anrufen. Wissen Sie was, ich gebe Ihnen meine Privatnummer, damit Sie beim nächsten Mal, wenn Mr. Fulton Sie bittet, sich einen Mord anzusehen, mich direkt anrufen, jederzeit Tag und Nacht.«
Wir saßen beide da und sahen uns an.
»Es wäre mir unangenehm, Sie zu Hause zu belästigen«, sagte ich schließlich. »Beim nächsten Mal werde ich es telefonisch der Wache melden.«
»Das wäre prächtig«, sagte er. Er nahm eine Ausgabe des Sault Star, der Tageszeitung von Soo Kanada, von seinem Tisch.
»Haben Sie das schon gesehen? Drüben in Kanada sind wir auf der Titelseite.«
»Ich habe sie noch nicht gelesen.«
»›Einheimischer in Motelzimmer in Soo Michigan ermordet‹. Wenn das keine Schlagzeile ist. Merken Sie, wie sehr sie betonen, daß es auf dieser Seite des Flusses passiert ist? Wußten Sie, daß zwei meiner Leute fünf Stunden gebraucht haben, um den Raum wieder sauber zu kriegen? Hatten Sie jemals soviel Blut aufzuwischen?«
»Kann ich nicht behaupten.«
»Als wir endlich den Raum auf alle Spuren untersucht hatten und die Leiche fortgeschafft war, war das Blut fast völlig geronnen. Natürlich, wenn man genügend Wasser drauf schüttet, wird es sozusagen wieder lebendig und fängt wieder
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