Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
diesem Abend erinnern würde. So bezahlte ich ihm meine Rechnung und ging zu Uttleys Büro. Vom Gericht aus lag es gleich um die Ecke, zwischen einer Bank und einem Geschenkeladen. Die ganze Innenstadt begann wieder nach Geld zu riechen, dank der Casinos. Uttleys Praxis florierte, und so ging es vielen örtlichen Geschäftsleuten. Das Seltsame an der Sache war nur, daß diesmal das große Geld zuerst den Chippewa-Indianern in die Finger kam und dann erst von denen aus zu allen andern durchsickerte. Ich kannte viele Leute in der Gegend, die damit nur sehr schwer umgehen konnten.
Uttley telefonierte gerade, als ich hereinkam. Er winkte mir zu und zeigte dann auf einen großen Sessel für seine Besucher. Sein Büro war klassischer Uttley: ein Schreibtisch, auf dem ein Flieger landen konnte, gerahmte Stiche von Hunden und Reitern, zur Fuchsjagd versammelt, und ein gutes Dutzend exotischer Zimmerpflanzen, die er ständig aus einer kleiner Sprayflasche ansprühte. »Jerry, die Masche zieht nicht, und das wissen Sie auch«, sagte er ins Telefon. »Sie müssen sehr viel Arbeit auf diese Nummer verwenden, bevor wir uns das nächste Mal sprechen.« Zu mir gewandt schüttelte er theatralisch seinen Kopf und zog beide Brauen hoch, während er den Hörer mit der Hand zuhielt. »Ich bin fast fertig«, flüsterte er mir zu.
Ich griff nach dem Baseball, der auf seinem Tisch lag, und entzifferte einige der Unterschriften. Ohne weiter nachzudenken, drehte ich den Ball in den Vier-Nähte-Griff für den Wurf auf Base zwei.
»Okay«, sagte er, als er aufhängte. Er rieb sich die Hände. »Und wie geht es Ihnen ?«
»Kann nicht klagen«, antwortete ich.
»Würde ja auch nichts helfen, wenn Sie klagten, oder?«
»Letzte Nacht bekam ich allerdings einen interessanten Anruf«, sagte ich. Als ich ihm alles erzählt hatte, saß er mit offenem Mund da und starrte mich an.
»Haben Sie Chief Maven davon erzählt?« fragte er.
»Ich bin noch nicht bei ihm gewesen«, sagte ich. »Ich wollte erst mal in der Bar vorbeischauen und rausfinden, ob der Barkeeper sich an irgend etwas am Montag abend erinnert.«
»Ich nehme an, daß das nicht der Fall war.«
»Nein.«
»Also«, sagte er, »das verschlägt mir jetzt die Sprache. Wollen Sie, daß ich mit Ihnen zur Wache gehen?«
»Das brauchen Sie nicht. Ich gehe jetzt sofort zu ihm.«
»Chief Maven kann gelegentlich etwas … ungestüm sein«, sagte er.
»So kann man es nennen.«
»Oh, da war noch etwas«, sagte er. »Vielleicht könnten Sie mir einen Gefallen tun.«
»Und der wäre?«
»Mrs. Fulton würde Sie sehr gern so bald wie möglich sprechen.«
Ich unterdrückte meine Verblüffung. »Sylvia Fulton will mich sprechen?«
»Nein, nein«, sagte er. »Theodora Fulton. Edwins Mutter. Sie ist gestern von Grosse Pointe hierhergekommen. Sie bleibt ein paar Tage bei ihnen.«
»Und weshalb will sie mich sehen?«
»Sie macht sich Sorgen um ihren Sohn. Sie glaubt, daß Sie ihm vielleicht helfen können.«
»Und was meint sie, was ich tun kann?«
»Mrs. Fulton ist eine Grande Dame, Alex. Vielleicht ein bißchen exzentrisch. Übrigens sind nur reiche Leute exzentrisch. Alle anderen sind bloß verrückt.«
»Das ist mir auch schon aufgefallen«, sagte ich.
»Wie auch immer, sie kümmert sich noch immer extrem um ihren Sohn. Sobald sie hörte, was passiert ist, ist sie sofort gekommen. Sie glaubt offenbar, daß er hier besonders gefährdet ist.«
»Dann sollte ich ihr wohl besser nicht von unserm neuen Freund, dem Killer, erzählen, wie?«
»Ich für meinen Teil würde jedenfalls versuchen, den Punkt in der Unterhaltung zu umgehen«, sagte er. »Alex, ich möchte Sie warnen, wir sprechen hier von einer sehr emotionalen Frau. Sie sieht vieles anders als andere. Sie möchte mit Ihnen über einen Traum sprechen, den sie gehabt hat.«
»Was für einen Traum?«
»Sie hat genau das geträumt, was Samstag nacht passiert ist. Es hat sie sehr aufgeregt. Sie glaubt, daß Edwin der nächste ist.«
»Ist das Ihr Ernst?«
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, Alex. Ich weiß nur, daß in dem Moment, wo wir da auf dem Parkplatz standen, Edwins Mutter unten in Grosse Pointe war, fast fünfhundert Kilometer entfernt. Und sie träumt davon. Sie hat es gesehen, Alex. Sie hat nicht gesehen, wer es getan hat oder so. Sie hat nur gesehen, wie es hinterher ausgesehen hat.«
»Wie, Sie meinen …«
»Das Blut, Alex. Sie behauptet, in ihrem Traum das Blut gesehen zu haben.«
Kapitel 5
Es
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