Ein Kampf um Rom
Mein Bruder Athalarich hat mich zurückgerufen.«
»Ein andrer Freier wird dir vorgeschlagen. Jung, blühend schön, ein Gote von edelstem Adel, sein Haus jetzt das zweite im
Reich. Du weißt, du ahnst wenigstens, wie sehr mein rings bedrängter Thron der Stütze bedarf: er und sein kriegsgewalt’ger
Bruder verheißen uns die Hilfe ihrer ganzen Macht: Graf Arahad liebt dich, und du – du schlägst ihn aus! Warum? Sage, warum?«
»Weil ich ihn nicht liebe.«
»Albernes Mädchengerede. Du bist eine Königstochter – du hast dich deinem Hause, deinem Reiche zu opfern.«
»Ich bin ein Weib«, sagte Mataswintha, die blitzenden Augen aufschlagend, »und opfre mein Herz keiner Macht im Himmel und
auf Erden.« –
»Und so spricht meine Tochter! Sieh auf mich, törichtes Kind. Großes hab’ ich erstrebt und erreicht. Solange Menschen das
Hohe bewundern, werden sie meinen Namen nennen. Ich habe alles gewonnen, was das Leben Herrlichstes bietet, und doch hab’
ich –«
»Nie geliebt. Ich weiß es«, seufzte ihre Tochter.
»Du weißt es?«
»Ja, es war der Fluch meiner Kindheit. Wohl war ich noch ein Kind, als mein geliebter Vater starb: ich wußte es nicht zu sagen,
aber ich konnte es empfinden, damals schon, daß seinemHerzen etwas fehle, wenn er seufzend, mit schmerzlicher Liebe, Athalarich und mich umfing und küßte und wieder seufzte. Und
ich liebte ihn darum desto inniger, daß ich fühlte, er suchte Liebe, die ihm fehlte. Jetzt freilich weiß ich längst, was mich
damals unerklärlich peinigte: du wardst unseres Vaters Weib, weil er nach Theoderich der nächste am Thron: aus Herrschsucht,
nicht aus Liebe, wardst du sein, und nur kalten Stolz hattest du für sein warmes Herz.«
Überrascht blieb Amalaswintha stehen: »Du bist sehr kühn.«
»Ich bin deine Tochter.«
»Du redest von der Liebe so vertraut – du kennst sie besser, scheint’s, mit zwanzig als ich mit vierzig Jahren – du liebst!«
rief sie schnell, »und daher dieser Starrsinn.«
Mataswintha errötete und schwieg.
»Rede«, rief die erzürnte Mutter, »gesteh es oder leugne!«
Mataswintha senkte die Augen und schwieg: nie war sie so schön gewesen.
»Willst du die Wahrheit verleugnen? Bist du feige, Amelungentochter?«
Stolz schlug das Mädchen die Augen auf: »Ich bin nicht feige, und ich verleugne die Wahrheit nicht. Ja, ich liebe.«
»Und wen, Unselige?«
»Das wird mir kein Gott entreißen.«
Und so entschieden sah sie dabei aus, daß Amalaswintha keinen Versuch machte, es zu erfahren.
»Wohlan«, sagte sie, »meine Tochter ist kein gewöhnlich Wesen. So fordere ich das Ungewöhnliche von dir: dein alles dem Höchsten
zu opfern.«
»Ja, Mutter, ich trage im Herzen einen hohen Traum. Er ist mein Höchstes. Ihm will ich alles opfern.«
»Mataswintha«, sprach die Regentin, »wie unköniglich! Sieh, dich hat Gott vor Tausenden gesegnet an Herrlichkeit des Leibes
und der Seele: du bist zur Königin geboren.«
»Eine Königin der Liebe will ich werden. Sie preisen mich alle um meine Weibesschönheit: wohlan: ich hab’ mir’s vorgesteckt,
liebend und geliebt, beglückend und beglückt, ein Weib zu sein.«
»Ein Weib! ist das dein ganzer Ehrgeiz!«
»Mein ganzer. O wär’ es auch der deine gewesen!«
»Und der Enkelin Theoderichs gilt das Reich und die Krone nichts? Und nichts dein Volk, die Goten?«
»Nein, Mutter«, sagte Mataswintha ernst: »es schmerzt mich beinahe, es beschämt mich: aber ich kann mich nicht zwingen zu
dem, was ich nicht fühle: ich empfinde nichts bei dem Worte ›Goten‹. Vielleicht ist es nicht meine Schuld: du hast von jeher
diese Goten verachtet, diese Barbaren geringgeschätzt: das waren die ersten Eindrücke: sie sind geblieben. Und ich hasse diese
Krone, dieses Gotenreich: es hat in deiner Brust dem Vater, dem Bruder, mir den Platz fortgenommen. Diese Gotenkrone, nichts
ist sie mir von je gewesen und geblieben als eine verhaßte, feindliche Macht.«
»O mein Kind, weh’ mir, wenn ich das verschuldet hätte! Und tust du’s nicht um des Reiches, o tu’s um meinetwillen. Ich bin
so gut wie verloren ohne die Wölsungen. Tu’s um meiner Liebe willen.«
Und sie faßte ihre Hand.–
Mataswintha entzog sie mit bittrem Lächeln: »Mutter, entweihe den höchsten Namen nicht. Deine Liebe! Du hast mich nie geliebt.
Nicht mich, nicht den Bruder, nicht den Vater.«
»Mein Kind! Was hätt’ ich geliebt, wenn nicht euch!«
»Die Krone, Mutter, und diese
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