Ein Kampf um Rom
verhaßte Herrschaft. Wie oft hast du mich von dir gestoßen vor Athalarichs Geburt, weil ich
ein Mädchen war und du einen Thronerben wolltest. Denke an meines Vaters Grab und an –«
»Laß ab«, winkte Amalaswintha.
»Und Athalarich? Hast du ihn geliebt, oder vielmehr sein Recht auf den Thron? O wie oft haben wir armen Kinder geweint, wenn
wir die Mutter suchten und die Königin fanden.«
»Du hast mir nie geklagt. Erst jetzt, da du mir Opfer bringen sollst.«
»Mutter, es gilt ja auch jetzt nicht dir, nur deiner Krone, deiner Herrschaft. Leg diese Krone ab, und du bist aller Sorgen
frei. Die Krone hat dir und uns allen kein Glück, nur Schmerzen gebracht. Nicht du bist bedroht: dir wollt’ ich alles opfern
– nurdein Thron, nur der goldne Reif des Gotenreichs, der Götze deines Herzens, der Fluch meines Lebens: nie werd’ ich dieser Krone
meine Liebe opfern, nie, nie, nie!«
Und sie kreuzte die weißen Arme über ihrer Brust, als wollte sie die Liebe darin beschirmen.
»Ha«, sagte die Königin zürnend, »selbstisches, herzloses Kind! Du gestehst, daß du kein Herz hast für dein Volk, für die
Krone deiner großen Ahnen – du gehorchst nicht freiwillig der Stimme der Ehre, des Ruhmes deines Hauses –, wohlan, so gehorche dem Zwang. Du sprichst mir die Liebe ab, so erfahre meine Strenge. Zur Stunde verläßt du mit deinem
Gefolge Ravenna. Du gehst als Gast nach Florentia in das Haus des Herzog Guntharis: seine Gattin hat dich geladen. Graf Arahad
wird deine Reise begleiten. Verlaß mich. Die Zeit wird dich beugen.«
»Mich?« sprach Mataswintha, sich hoch aufrichtend: »keine Ewigkeit!«
Schweigend blickte ihr die Königin nach: die Anklagen der Tochter hatten einen mächtigeren Eindruck auf sie gemacht, als sie
zeigen wollte.
»Herrschsucht?« sagte sie zu sich selbst. »Nein, das ist es nicht, was mich erfüllt. Ich fühlte, daß ich dies Reich schirmen
und beglücken konnte, darum liebte ich die Krone. Und gewiß, ich könnte, wie mein Leben, so meine Krone opfern, verlangte
es das Heil meines Volks. Könntest du das, Amalaswintha?« fragte sie sich, zweifelnd die Linke auf die Brust legend.
Sie ward aus ihrem Sinnen geweckt durch Cassiodorius, der langsam und gesenkten Hauptes eintrat.
»Nun«, rief Amalaswintha, erschreckt von dem Ausdruck seiner Züge, »bringst du ein Unglück?«
»Nein, nur eine Frage.«
»Welche Frage?«
»Königin«, hob der Alte feierlich an, »ich habe deinem Vater und dir dreißig Jahre lang gedient, treu und eifrig, ein Römer
den Barbaren, weil ich eure Tugenden ehrte, und weil ich glaubte, Italien, der Freiheit nicht mehr fähig, sei unter eurerHerrschaft am sichersten geborgen: denn eure Herrschaft war gerecht und mild. Ich habe fortgedient, obwohl ich meiner Freunde,
Boëthius’ und Symmachus’, Blut fließen sah, wie ich glaube, unschuldig Blut: aber sie starben durch offnes Gericht, nicht
durch Mord. Ich mußte deinen Vater ehren, auch wo ich ihn nicht loben konnte. Jetzt aber –«
»Nun, jetzt aber?« fragte die Königin stolz.
»Jetzt komme ich, von meiner vieljährigen Freundin, ich darf sagen, meiner Schülerin –«
»Du darfst es sagen«, sprach Amalaswintha weicher.
»Von des großen Theoderich edler Tochter ein einfach schlichtes Wort, ein Ja zu erbitten. Kannst du dies Ja sprechen – ich
flehe zu Gott, daß du es könnest –, so will ich dir dienen treu wie je, so lang es dieses greise Haupt vermag.«
»Und kann ich’s nicht?«
»Und könntest du es nicht, o Königin«, rief der Alte schmerzlich, »o dann Lebewohl dir und meiner letzten Freude an dieser
Welt.«
»Und was hast du zu fragen?«
»Amalaswintha, du weißt, ich war fern an der Nordgrenze des Reichs, als hier der Aufstand losbrach, als jene furchtbare Kunde,
jene furchtbare Anklage sich erhob. Ich glaubte nichts – ich flog hierher von Tridentum.– Seit zwei Tagen bin ich hier, und
keine Stunde vergeht, keinen Goten spreche ich, ohne daß die schwere Klage mir schwerer aufs Herz fällt. Und auch du bist
verwandelt, ungleich, unstet, unruhig – und doch will ich’s nicht glauben.– Ein treues Wort von dir soll all diese Nebel zerstreuen.«
»Wozu die vielen Worte«, rief sie, auf die Armlehne des Thrones sich stützend, »sage kurz, was hast du zu fragen?«
»Sprich nur ein schlichtes Ja: bist du schuldlos an dem Tode der drei Herzöge?«
»Und wenn ich es nicht wäre,– haben sie nicht reichlich den Tod
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