Ein Kampf um Rom
Entscheidung.«
Viertes Buch
Theodahad
»Nachbarn zu haben schien Theodahad
eine Art von Unglück.«
Prokop, Gotenkrieg, I, 3
Erstes Kapitel
Am andern Morgen verkündete ein Manifest dem staunenden Ravenna, daß die Tochter Theoderichs zugunsten ihres Vetters Theodahad
auf die Krone verzichtet, und daß dieser, der letzte Mannessproß der Amelungen, den Thron bestiegen habe. Italier und Goten
wurden aufgefordert, dem neuen Herrscher den Eid der Treue zu schwören.
So hatte Cethegus richtig gerechnet. Das Gewissen der unseligen Frau fühlte sich durch manche Torheit, ja durch blut’ge Schuld
schwer belastet: edle Naturen suchen Erleichterung und Buße in Opfer und Entsagung: durch ihrer Tochter und Cassiodors Anklagen
war ihr Herz mächtig bewegt worden, und der Präfect hatte sie in günstiger Stimmung für seinen Rat gefunden. Weil er so bitter
war, befolgte sie ihn: ja, sie hatte, um ihr Volk zu retten und ihre Schuld zu sühnen, sich noch weitere Demütigungen vorgesteckt.
Ohne Schwierigkeit vollzog sich der Thronwechsel. Die Italier zu Ravenna waren zu einer Erhebung keineswegs vorbereitet und
wurden von Cethegus auf gelegnere Zeit vertröstet. Auch war der neue König als Freund römischer Bildung bei ihnen bekannt
und beliebt. Die Goten freilich schienen sich nicht ohne weitres den Tausch gefallen lassen zu wollen.
Fürst Theodahad war allerdings ein Mann – das empfahl ihn gegenüber Amalaswinthen – und ein Amaler: das wog schwer zu seinen
Gunsten gegenüber jedem andern Bewerber um die Krone. Aber im übrigen war er im Volke der Goten keineswegshochangesehen. Unkriegerisch und feige, verweichlicht an Leib und Seele, hatte er keine der Eigenschaften, welche die Germanen
von ihren Königen forderten. Nur Eine Leidenschaft erfüllte seine Seele: Habsucht, unersättliche Goldgier. Reichbegütert in
Tuscien, lebte er mit allen seinen Nachbarn in ewigen Prozessen: mit List und Gewalt und dem Schwergewicht seiner königlichen
Geburt wußte er seinen Grundbesitz nach allen Seiten auszudehnen und die Ländereien weit in der Runde an sich zu reißen: »denn«
– sagt ein gleichzeitiger Autor – »Nachbarn zu haben schien dem Theodahad eine Art von Unglück.« Dabei war seine schwache
Seele vollständig abhängig von der bösartigen, aber kräftigen Natur seines Weibes. Einen solchen König sahen denn die Tüchtigsten
unter den Goten nicht gern auf dem Throne Theoderichs.
Und kaum war das Manifest Amalaswinthens bekanntgeworden, als Graf Teja, der kurz zuvor mit Hildebad in Ravenna angekommen
war, diesen sowie den alten Waffenmeister und den Grafen Witichis zu sich beschied und sie aufforderte, die Unzufriedenheit
des Volkes zu steigern, zu leiten und einen Würdigern an Theodahads Stelle zu setzen.
»Ihr wißt«, schloß er seine Worte, »wie günstig die Stimmung im Volke. Seit jener Bundesnacht im Mercuriustempel haben wir
unablässig im Volk geschürt, und Großes ist schon gelungen: des edeln Athalarich Aufschwung, der Sieg am Epiphaniasfeste,
das Zurückholen Amalaswinthens, wir haben es bewirkt. Jetzt winkt die günstige Gelegenheit. Soll an des Weibes Stelle treten
ein Mann, der schwächer als ein Weib? Haben wir keinen Würdigern mehr als Theodahad im Volk der Goten?«
»Recht hat er, beim Donner und Strahl«, rief Hildebad.
»Fort mit diesen verwelkten Amalern! Einen Heldenkönig hebt auf den Schild, und schlagt los nach allen Seiten. Fort mit dem
Amaler!«
»Nein«, sagte Witichis, ruhig vor sich hin blickend, »noch nicht! Vielleicht, daß es noch einmal so kommen muß: aber nicht
früher darf es geschehen, als es muß. Der Anhang der Amaler ist groß im Volk: nur mit Gewalt würde Theodahad den Reichtum,
Gothelindis die Macht der Krone sich entwindenlassen: sie würden stark genug sein, wenn nicht zum Siege, doch zum Kampf. Kampf aber unter den Söhnen eines Volks ist schrecklich,
nur die Notwendigkeit kann ihn rechtfertigen. Die ist noch nicht da. Theodahad mag sich bewähren: er ist schwach, so wird
er sich leiten lassen. Hat er sich unfähig erwiesen, so ist’s noch immer Zeit.«
»Wer weiß, ob dann noch Zeit ist«, warnte Teja.
»Was rätst du, Alter?« fragte Hildebad, auf welchen die Gründe des Grafen Witichis nicht ohne Wirkung blieben.
»Brüder«, sagte der Waffenmeister, seinen langen Bart streichend, »ihr habt die Wahl, darum die Qual. Mir sind beide erspart:
ich bin gebunden. Die alten Gefolgen des großen Königs haben
Weitere Kostenlose Bücher