Ein Kampf um Rom
verderben?« fragte die Königin mit bittrem Vorwurf. »Erbarmt
dich ihrer abermals?«
»Sie ist gerichtet«, sagte Cethegus, an der Tür sich kurz umwendend. »Der Richter geht – der Henker Amt hebt an.«
Und stolz schritt er hinaus. Da faßte Theodahad, der sprachlos vor Staunen den Byzantiner hatte handeln sehn, mit Entsetzen
dessen Hand:
»Petros«, rief er, »um Gott und aller Heiligen willen, was hast du getan? Unser Vertrag und alles ruht auf Belisar, und du
schickst ihn nach Hause?«
»Und läßt diesen Übermütigen triumphieren?« knirschte Gothelindis.
Aber Petros lächelte: der Sieg der Schlauheit strahlte aus seinem Antlitz.
»Seid ruhig«, sagte er, »diesmal ist er überwunden, der Allüberwinder Cethegus, besiegt von dem verhöhnten Petros.«
Er ergriff Theodahad und Gothelindis an den Händen, zog sie nahe an sich, sah sich um, und flüsterte dann:
»Vor jenem Brief an Belisar steht ein kleiner Punkt: der bedeutet ihm: all das Geschriebene ist nicht ernstgemeint, ist nichtig.
Ja, ja, man lernt, man lernt die Schreibekunst am Hofe von Byzanz.«
Viertes Kapitel
Zwei Tage nach der nächtlichen Begegnung mit Theodahad und Petros verbrachte Amalaswintha in einer Art von wirklicher oder
vermeinter Gefangenschaft. Sooft sie ihre Gemächer verließ, sooft sie einbog in einen Gang des Palastes, jedesmal glaubte
sie hinter oder neben sich Gestalten auftauchen, hingleiten, verschwinden zu sehen, welche ebensoeifrig bedacht schienen,
all ihre Schritte zu beobachten, als sich selbst ihren Blicken zu entziehen: kaum zu dem Grabe ihres Sohnes konnte sie unbewacht
niedersteigen. Umsonst fragte sie nach Witichis, nach Teja: sie hatten gleich am Morgen nach dem Krönungsfest in Aufträgen
des Königs die Stadt verlassen. Das Gefühl, vereinsamt und von bösen Feinden umlauert zu sein, ruhte drückend auf ihrer Seele.
Schwer und düster hingen am Morgen des dritten Tages die herbstlichen Regenwolken auf Ravenna herab, als sich Amalaswintha
von dem schlummerlosen Lager erhob. Unheimlich berührte es sie, daß, als sie an das Fenster von Frauenglas trat, ein Rabe
krächzend von dem Marmorsims aufstieg und mit heiserem Schrei und schwerem Flügelschlag langsam über die Gärten dahinflog.
Die Fürstin fühlte schon daran, wie geknickt ihre Seele war durch diese Tage von Schmerz, Furcht und Reue,daß sie sich des finstern Eindrucks nicht erwehren konnte, den ihr die frühen Herbstnebel, aus den Lagunen der Seestadt aufsteigend,
brachten. Seufzend blickte sie in die graue Sumpflandschaft hinaus. Schwer war ihr Herz von Reue und Sorge. Und ihr einziger
Halt der Gedanke, durch freie Selbstanklage und volle Demütigung vor allem Volk das Reich noch zu retten um den Preis ihres
Lebens. Denn sie zweifelte nicht, daß die Gesippen und Bluträcher der drei Herzöge ihre Pflicht vollauf erfüllen würden.
In solchen Gedanken schritt sie durch die öden Hallen und Gänge des Palastes, diesmal, wie sie glaubte, unbelauscht, hinunter
zu der Ruhestätte ihres Sohnes, sich in den Vorsätzen der Buße und Sühne an ihrem Volk zu befestigen. Als sie nach geraumer
Zeit aus der Gruft wieder emporstieg und in einen dunkeln Gewölbgang einlenkte, huschte ein Mann in Sklaventracht aus einer
Nische hervor – sie glaubte sein Gesicht schon oft gesehen zu haben –, drückte ihr eine kleine Wachstafel in die Hand und war seitab verschwunden. Sie erkannte sofort – die Handschrift Cassiodors.–
Und sie erriet nun auch den geheimnisvollen Überbringer: es war Dolios, der Briefsklave ihres treuen Ministers. Rasch die
Tafel in ihrem Gewande bergend, eilte sie in ihr Gemach. Dort las sie:
»In Schmerz, nicht in Zorn, schied ich von dir. Ich will nicht, daß du unbußfertig abgerufen werdest und deine unsterbliche
Seele verlorengehe. Flieh aus diesem Palast, aus dieser Stadt: dein Leben ist keine Stunde mehr sicher. Du kennst Gothelindis
und ihren Haß. Traue niemand als meinem Schreiber, und finde dich um Sonnenuntergang bei dem Venustempel im Garten ein. Dort
wird dich meine Sänfte erwarten und in Sicherheit bringen, nach meiner Villa im Bolsenersee. Folge und vertraue.«
Gerührt ließ Amalaswintha den Brief sinken: der vielgetreue Cassiodor! Er hatte sie doch nicht ganz verlassen. Er bangte und
sorgte noch immer für das Leben der Freundin. Und jene reizende Villa auf der einsamen Insel im blauen Bolsenersee! Dort hatte
sie, vor vielen, vielen Jahren, als Gast Cassiodors, in
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