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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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Schauer von Furcht gehorchte Amalaswintha und schritt über die Steintrümmer, welche ringsum zerstreut lagen, nach
     der rechten Seite des Weges, wo sie jenseits des Grabens ein hohes Monument aus der Dunkelheit ragen sah. Dolios half ihr
     über den Graben. Da schlug von der Straße hinter ihrem Wagen her das Wiehern eines Pferdes an ihr Ohr. Erschrocken blieb sie
     stehen.
    »Es ist unser Nachreiter«, sagte Dolios rasch, »der uns den Rücken deckt, komm.«
    Und er führte sie durch feuchtes Gras den Hügel heran, auf dem sich das Monument erhob. Oben angelangt setzte sie sich auf
     die breite Steinplatte eines Sarkophags. Da war Dolios plötzlich im Dunkel verschwunden, vergebens rief sie ihn zurück: bald
     sah sie unten auf der Straße seine Fackel wieder brennen: rot leuchtete sie durch die Nebel der Sümpfe: und der Sturm entführte
     rasch den Schall der Hammerschläge der Sklaven, die an dem Rade arbeiteten.
    So saß die Tochter des großen Theoderich, einsam und todesflüchtig, auf der Heerstraße in unheimlicher Nacht; der Sturm riß
     an ihrem Mantel und Schleier, der feine kalte Regen durchnäßte sie, in den Cypressen hinter dem Grabmal seufzte melancholisch
     der Wind, oben am Himmel jagte zerfetztes Gewölk und ließ nur manchmal einen flüchtigen Mondstrahl durch, der die gleich wieder
     folgende Dunkelheit noch düsterer machte. Banges Grauen durchschlich fröstelnd ihr Herz.
    Allmählich gewöhnte sich ihr Auge an die Dunkelheit, und umhersehend konnte sie die Umrisse der nächsten Dinge deutlicher
     unterscheiden, da – ihr Haar sträubte sich vor Entsetzen   –, da war ihr, es säße dicht hinter ihr auf dem erhöhten Hintereck des Sarkophags eine zweite Gestalt – ihr eigner Schattenwar es nicht –: eine kleinere Gestalt in weitem, faltigem Gewand, die Arme auf die Knie, das Haupt in die Hände gestützt und
     zu ihr herunterstarrend. Ihr Atem stockte, sie glaubte flüstern zu hören, fieberhaft strengte sie die Sinne an, zu sehen,
     zu hören: da flüsterte es wieder:
    »Nein, nein: noch nicht!«
    So glaubte sie zu hören. Sie richtete sich leise auf, auch die Gestalt schien sich zu regen, es klirrte deutlich wie Stahl
     auf Stein.
    Da schrie die Geängstigte: »Dolios! Licht! Hilfe! Licht!«
    Und sie wollte den Hügel hinab, aber zitternd versagten die Knie, sie fiel und verletzte die Wange an dem scharfen Gestein.
     Da war Dolios mit der Fackel heran, schweigend erhob er die Blutende: er fragte nicht.
    »Dolios«, rief sie, sich fassend, »gib die Leuchte: ich muß sehen, was dort war, was dort ist.«
    Sie nahm die Fackel und schritt entschlossen um die Ecke des Sarkophags: es war nichts zu sehen: aber jetzt, im Glanze der
     Fackel, erkannte sie, daß das Monument nicht, wie die übrigen, ein altes, daß es sichtlich erst neuerrichtet war, so unverwittert
     war der weiße Marmor, so frisch die schwarzen Buchstaben der Inschrift. –
    Von jener seltsamen Neugier, welche sich mit dem Grauen verbindet, unwiderstehlich fortgerissen, hielt sie die Fackel dicht
     an den Sockel des Monuments und las bei flackerndem Licht die Worte:
    »Ewige Ehre den drei Balten Thulun, Ibba und Pitza. Ewiger Fluch ihren Mördern.«
    Mit einem Aufschrei taumelte Amalaswintha zurück. Dolios führte die Halbohnmächtige zu dem Wagen. Fast bewußtlos legte sie
     die noch übrigen Stunden des Weges zurück. Sie fühlte sich krank an Leib und Seele.
    Je näher sie dem Eiland kam, desto lebhafter ward die fieberhafte Freude, mit welcher sie es ersehnt, verdrängt von einer
     ahnungsvollen Furcht: mit Bangen sah sie die Sträucher und Bäume des Weges immer rascher an sich vorüberfliegen. Endlich machten
     die dampfenden Rosse halt. Sie senkte die Lädenund blickte hinaus: es war die kalte, unheimliche Stunde, da das erste Tagesgrauen ankämpft gegen die noch herrschende Nacht:
     sie waren, so schien es, angelangt am Ufer des Sees: aber von seinen blauen Fluten war nichts zu sehen; ein düstrer grauer
     Nebel lag undurchdringlich wie die Zukunft vor ihren Augen: von der Villa, ja von der Insel selbst war nichts zu entdecken.
    Rechts vom Wagen stand eine niedrige Fischerhütte tief in dem dichten, ragenden Schilf, durch welches wie seufzend der Morgenwind
     fuhr, daß die schwankenden Häupter sich bogen. Seltsam: ihr war, als warnten und winkten sie hinweg von dem dahinter verborgenen
     See.
    Dolios war in die Hütte gegangen; er kam jetzt zurück und hob die Fürstin aus dem Wagen, schweigend führte er sie durch

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