Ein Kampf um Rom
verfolgte, fand er in den Hallen
und Gängen der Burg die Goten und Italier, welchen ihr Rang und Ansehen Zutritt erwarben, in ungleichen Gruppen verteilt.
Schweigend und traurig standen in der sonst so lauten Trinkhalle die jungen Tausendführer und Hundertführer der Goten beisammen
oder flüsterten einzelne besorgte Fragen, während hie und da ein älterer Mann, ein Waffengefährte des sterbenden Helden, in
einer Nische der Bogenfenster lehnte, seinen lauten Schmerz zu verbergen; in der Mitte des Saales stand, laut weinend, das
Haupt an einen Pfeiler drückend, ein reicher Kaufmann von Ravenna: der König, der jetzt scheiden sollte, hatte ihm eine Verschwörung
verziehen und seine Warenhallen vor der Plünderung durch die ergrimmten Goten gerettet.
Mit einem kalten Blick der Geringschätzung schritt Cethegusan dem allen vorüber. Er ging weiter. In dem nächsten Gemach, dem zum Empfang fremder Gesandten bestimmten Saal, fand er eine
Anzahl von vornehmen Goten, Herzögen, Grafen und Edeln beisammen, welche offenbar Beratung hielten über den Thronwechsel und
den drohenden Umschwung aller Verhältnisse. Da waren die tapferen Herzöge Thulun von Provincia, der die Stadt Arles heldenmütig
gegen die Franken verteidigt hatte, Ibba von Liguria, der Eroberer von Spanien, Pitza von Dalmatia, der Besieger der Bulgaren
und Gepiden, gewaltige, trotzige Herrn, stolz auf ihren alten Adel, der dem Königshaus der Amaler wenig nachgab – denn sie
waren aus dem Geschlecht der Balten, das bei den Westgoten durch Alarich die Krone gewonnen hatte –, und auf ihre kriegerischen Verdienste, welche das Reich beschirmt und erweitert. Auch Hildebad und Teja standen bei ihnen.
Es waren die Führer der Partei, die längst eine härtere Behandlung der Italier, welche sie haßten und scheuten zugleich, begehrt
und nur widerstrebend dem milden Sinn des Königs sich gefügt hatten. Wilde Blicke des Hasses schossen aus ihrer Mitte auf
den vornehmen Römer, der da Zeuge der Sterbestunde des großen Gotenhelden sein wollte.
Ruhig schritt Cethegus an ihnen vorüber und hob den schweren Wollvorhang auf, der den nächsten Raum abschied, das Vorzimmer
des Krankengemaches. Eintretend begrüßte er mit tiefer Verbeugung des Hauptes eine hohe königliche Frau, welche, in schwarze
Trauerschleier gehüllt, ernst und schweigend, aber in fester Fassung und ohne Tränen vor einem mit Urkunden bedeckten Marmortische
stand: das war Amalaswintha, die verwitwete Tochter Theoderichs. Eine Frau in der Mitte der Dreißiger, war sie noch von außerordentlicher,
wenn auch kalter Schönheit. Sie trug das reiche, dunkle Haar nach griechischer Weise gescheitelt und gewellt. Die hohe Stirn,
das große, runde Auge, die geradlinige Nase, der Stolz ihrer fast männlichen Züge und die Majestät ihrer vollen Gestalt verliehen
ihr imposante Würde, und in dem ganz nach hellenischem Stil gefalteten Trauergewand glich sie in der Tat einer von ihrem Postament
heruntergeschrittnen Juno des Polyklet.
An ihrem Arme hing, mehr gestützt als stützend, ein Knabeoder Jüngling von etwa siebzehn Jahren, Athalarich, ihr Sohn, des Gotenreiches Erbe. Er glich nicht der Mutter, sondern hatte
die Natur seines unglücklichen Vaters Eutharich, den eine zehrende Krankheit des Herzens in der Blüte seiner Jahre in das
Grab gezogen hatte.
Mit Sorge sah deshalb Amalaswintha ihren Sohn in allem ein Ebenbild des Vaters werden, und es war kaum mehr ein Geheimnis
am Hofe von Ravenna, daß alle Spuren jener Krankheit sich schon in dem Knaben zeigten. Athalarich war schön wie alle Glieder
dieses von den Göttern stammenden Hauses. Starke schwarze Brauen, lange Wimpern beschatteten ein schönes, dunkles Auge, das
aber bald wie in unbestimmten Träumen zerfloß, bald in geisterhaftem Glanz aufblitzte. Dunkelbraune wirre Locken hingen in
die bleiche Schläfe, in denen bei lebhafter Erregung die feinen blauen Adern krampfhaft zuckten. Der edeln Stirn hatte physischer
Schmerz oder schwere Resignation tiefe Furchen eingezeichnet, befremdlich auf diesem jugendlichen Antlitz. Rasch wechselten
Marmorblässe und heißes Rot auf den durchsichtigen Wangen. Die hochaufgeschossne, aber geknickte Gestalt schien meistens wie
müde in ihren Fugen zu hangen und schoß nur manchmal mit erschreckender Raschheit in die Höhe. Er sah den eintretenden Cethegus
nicht, denn er hatte, an der Mutter Brust gelehnt, den griechischen Mantel klagend um das junge
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