Ein Kampf um Rom
Haupt geschlagen, welches
bald eine schwere Krone tragen sollte.–
Fern von diesen beiden, an dem offnen Bogen des Gemaches, welcher den Blick auf die von den Gotenkriegern besetzten Marmorstufen
gewährte, stand, in träumerisches Sinnen verloren, ein Weib – oder war es eine Jungfrau? – von überraschender, blendender
Schönheit, das war Mataswintha, Athalarichs Schwester. Sie glich der Mutter an Adel und Höhe der Gestalt, aber ihre schärferen
Züge hatten ein feuriges, leidenschaftliches Leben, welches sich nur wenig unter angenommener Kälte barg. Ihre Gestalt, ein
reizvolles Ebenmaß von blühender Fülle und feiner Schlankheit, mahnte an jene bezwungne Artemis in den Armen des Endymion
in der Gruppe des Agesander, welche, nach der Sage, der Rat von Rhodos hatte aus der Stadt verbannenmüssen, weil diese marmorne höchste Einheit schönster Jungfräulichkeit und schönster Sinnlichkeit die Jünglinge des Eilands
zu Wahnsinn und Selbstmord getrieben hatte. Der Zauber höchster reifer Mädchenschönheit zitterte über diesem Wesen. Ihr reichwallendes
Haar war dunkelrot, mit einem schillernden Metallglanz, und von so außerordentlicher Wirkung, daß er der Fürstin, selbst bei
diesem durch die prächtigen Goldlocken seiner Weiber berühmten Volk, den Namen »Schönhaar« verschaft hatte. Ihre Augenbrauen
aber und die langen Wimpern waren glänzendschwarz und hoben die blendendweiße Stirn, die alabasternen Wangen leuchtend hervor.
Die feingebogene Nase mit den zartgeschnittnen, manchmal leise zuckenden Flügeln senkte sich auf einen üppig schwellenden
Mund. Aber das Auffallendste an dieser auffallenden Schönheit war das graue Auge, nicht so fast durch die ziemlich unbestimmte
Farbe, wie durch den wunderbaren Ausdruck, mit dem es, meist in träumerisches Sinnen verloren, manchmal in versengender Leidenschaft
aufleuchten konnte.
In der Tat, wie sie da an dem Fenster lehnte, in der halb hellenischen, halb gotischen, von ihrer Phantasie erfinderisch kombinierten
Tracht, den weißen, hochgewölbten Arm um die dunkle Porphyrsäule geschlungen und hinausträumend in die Abendluft, glich ihre
verführerische Schönheit jenen unwiderstehlichen Waldfrauen oder Wellenmädchen, deren allverstrickende Liebesgewalt von jeher
die germanische Sage gefeiert hat. Und so groß war die Macht dieser Schönheit, daß selbst die ausgebrannte Brust des Cethegus,
der die Fürstin längst kannte, bei seinem Eintritt von neuem Staunen berührt wurde.–
Doch wurde er sogleich in Anspruch genommen von dem letzten der im Gemach Anwesenden, von Cassiodor, dem gelehrten und treuen
Minister des Königs, dem ersten Vertreter jener wohlwollenden, aber hoffnungslosen Versöhnungspolitik, welche seit einem Menschenalter
im Gotenreich geübt wurde. Der alte Mann, dessen ehrwürdige und milde Züge der Schmerz um den Verlust seines königlichen Freundes
nicht weniger bewegte als die Sorge um die Zukunft des Reiches, stand auf undging mit schwankenden Schritten dem Eintretenden entgegen, der sich ehrfurchtsvoll verneigte. In Tränen schwimmend, ruhte
das Auge des Greises auf ihm, endlich sank er seufzend an die kalte Brust des Cethegus, der ihn für diese Weichheit verachtete.
»Welch ein Tag!« klagte er.
»Ein verhängnisvoller Tag«, sprach Cethegus ernst; »er fordert Kraft und Fassung.«
»Recht sprichst du, Patricius, und wie ein Römer«,– sagte die Fürstin, sich von Athalarich losmachend,– »sei gegrüßt.«
Sie reichte ihm die Hand, die nicht bebte, ihr Auge war klar.
»Die Schülerin der Stoa bewährt an diesem Tage die Weisheit Zenos und die eigne Kraft«, sprach Cethegus.
»Sagt lieber, die Gnade Gottes kräftigt ihre Seele wunderbar«, verbesserte Cassiodor.
»Patricius«, begann Amalaswintha, »der Präfectus Prätorio hat dich mir vorgeschlagen zu einem wichtigen Geschäft. Sein Wort
würde genügen, auch wenn ich dich nicht längst schon kennte. Du bist derselbe Cethegus, der die ersten beiden Gesänge der
Aeneis in griechische Hexameter übertragen hat!«
»Infandum renovare jubes, regina, dolorem. Eine Jugendsünde, Königin«, lächelte Cethegus. »Ich habe alle Abschriften aufgekauft
und verbrannt an dem Tage, da die Übersetzung Tullias erschien.«
Tullia war das Pseudonym Amalaswinthas: Cethegus wußte das: aber die Fürstin hatte von dieser seiner Kenntnis keine Ahnung.
Sie war in ihrer schwächsten Stelle geschmeichelt und fuhr fort:
»Du weißt, wie es
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