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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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hier steht. Die Atemzüge meines Vaters sind gezählt: nach dem Ausspruch der Ärzte kann er, obwohl noch rüstig
     und stark, jeden Augenblick tot zusammenbrechen. Athalarich hier ist der Erbe seiner Krone. Ich aber führe an seiner Statt
     die Regentschaft und über ihn die Mundschaft, bis er zu seinen Tagen gekommen.«
    »So ist der Wille des Königs, und Goten und Römer haben dieser Weisheit längst schon zugestimmt«, sagte Cethegus.
    »So taten sie. Aber die Menge ist wandelbar. Die rohen Männerverachten die Herrschaft eines Weibes« – und sie zog bei diesem Gedanken die Stirn in zornige Falten.
    »Es widerstreitet immerhin dem Staatsrecht der Goten wie der Römer«, begütigte Cassiodor, »es ist ganz neu, daß ein Weib   –«
    »Die undankbaren Rebellen!« murmelte Cethegus, gleichsam für sich.
    »Wie man darüber denken mag«, fuhr die Fürstin fort, »es ist so. Gleichwohl baue ich auf die Treue der Barbaren im ganzen,
     mögen auch einzelne aus dem Adel Gelüste nach der Krone tragen. Auch von den Italiern hier in Ravenna, wie in den meisten
     Städten, fürchte ich nichts. Aber ich fürchte – Rom und die Römer.«
    Cethegus horchte hoch auf: sein ganzes Wesen war in plötzlicher Erregung: aber sein Antlitz blieb eisigkalt.
    »Rom wird sich niemals an die Herrschaft der Goten gewöhnen, es wird uns ewig widerstreben – wie könnte es anders!« setzte
     sie seufzend hinzu. Es war, als ob die Tochter Theoderichs eine römische Seele hätte.
    »Wir fürchten deshalb« – ergänzte Cassiodor,– »daß auf die Kunde von der Erledigung des Throns zu Rom eine Bewegung gegen
     die Regentin ausbrechen könnte, sei es für Anschluß an Byzanz, sei es für Erhebung eines eignen Kaisers des Abendlandes.«
    Cethegus schlug, wie nachsinnend, die Augen nieder.–
    »Darum«, fiel die Fürstin rasch ein, »muß, schon ehe jene Kunde zu Rom eintrift, alles geschehen sein. Ein entschlossner,
     mir treu ergebner Mann muß die Besatzung für mich – ich meine für meinen Sohn – vereidigen, die wichtigsten Tore und Plätze
     besetzen, Senat und Adel einschüchtern, das Volk für mich gewinnen und meine Herrschaft unerschütterlich aufrichten, ehe sie
     noch bedroht ist. Und für dies Geschäft hat Cassiodor – dich vorgeschlagen. Sprich, willst du es übernehmen?«
    Bei diesen Worten war der goldne Griffel aus ihrer Hand zur Erde gefallen. Cethegus bückte sich, ihn aufzuheben. Er hatte
     nur diesen einen Augenblick für die hundert Gedanken, welche bei diesem Antrag sich in seinem Kopfe kreuzten. War dieVerschwörung in den Katakomben, war vielleicht er selbst verraten? Lag hier eine Schlinge des schlauen und herrschsüchtigen
     Weibes? Oder waren die Toren wirklich so blind, gerade ihm dies Amt aufzudringen? Und wenn dem so war, was sollte er tun?
     Sollte er den Moment benutzen, sogleich loszuschlagen, Rom zu gewinnen? Und für wen? für Byzanz? oder für einen Kaiser im
     Abendlande? Und wer sollte das werden? Oder waren die Dinge noch nicht reif? Sollte er für diesmal, aus Treulosigkeit, Treue
     üben?
    Für all diese und manche andere Zweifel und Fragen hatte er, sie zu stellen und zu lösen, nur den einen Moment, da er sich
     bückte: sein rascher Geist brauchte nicht mehr: er hatte im Bücken das arglos vertrauende Gesicht Cassiodors gesehen, und
     entschlossen sprach er, den Griffel überreichend: »Königin, ich übernehme das Geschäft.«
    »Das ist gut«, sagte die Fürstin. Cassiodor drückte seine Hand.
    »Wenn Cassiodor«, fuhr Cethegus fort, »mich zu diesem Amte vorgeschlagen, so hat er wieder einmal seine tiefe Menschenkenntnis
     bewährt. Er hat durch meine Schale auf meinen Kern gesehen.«
    »Wie meinst du das?« fragte Amalaswintha.
    »Königin, der Schein konnte ihn trügen. Ich gestehe, daß ich die Barbaren – verzeihe – die Goten nicht gern in Italien herrschen
     sehe.«
    »Dieser Freimut ehrt dich, und ich verzeih’ es dem Römer.«
    »Dazu kommt, daß ich seit Jahrzehnten dem Staat, dem öffentlichen Leben keine Teilnahme mehr zuwandte. Nach vielen Leidenschaften
     leb’ ich ohne alle Leidenschaft nur einer spielenden Muße und leichten Gelehrsamkeit, unbekümmert um die Sorgen der Könige,
     auf meinen Villen.«
    »Beatus ille qui procul negotiis«, zitierte seufzend die gelehrte Frau.
    »Aber eben weil ich die Wissenschaft verehre, weil ich, ein Schüler Platons, will, daß die Weisen herrschen sollen, deshalb
     wünsche ich, daß eine Königin mein Vaterland regiere, welche

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