Ein Kampf um Rom
verloren.
Endlich war der zierliche Kranz vollendet: mit lachenden Augen drückte sie ihn auf das prachtvolle feuerfarbne Haar der Herrin
und bog sich um ihre Schulter, deren Blick zu suchen. Aber diese hatte gar nicht bemerkt, wie die Blumen ihr Haupt berührten.
Da ward die Kleine unwillig und rief mit schmollend aufgeworfnen Lippen:
»Aber Herrin, bei den Palmenwipfeln des Auras, was denkest du wieder? Bei wem bist du?«
Mataswintha schlug die leuchtenden Augen auf: »Bei ihm!« flüsterte sie.
»Weiße Göttin, das trag’ ich nicht mehr!« rief die Kleine, aufspringend, »es ist zu arg, die Eifersucht bringt mich um! Nicht
mich, deine Gazelle nur, auch die eigne Schönheit vergißt du – über dem unsichtbaren Mann: schau doch nur einmal in die Wellen
und sieh, wie reizend dein Haar von den dunkeln Veilchen und weißen Anemonen sich hebt.«
»Dein Kranz ist schön!« sagte Mataswintha, ihn herunterlangend und dann leicht in die Wellen werfend, »welch süße Blumen!
Grüßt ihn von mir.«
»Ach, meine armen Blumen!« rief die Sklavin, ihnen nachblickend: aber sie wagte nicht, weiterzuschelten.
»Sag mir nur«, rief sie, sich wieder niederlassend, »wie all dies enden soll? Da sind wir jetzt schon viele Tage, wir wissen
nicht recht, Königin oder Gefangne? Jedenfalls in fremder Gewalt: haben den Fuß nicht aus deinem Gemach oder diesem hochummauerten
Garten gesetzt und wissen nichts von der ganzen Welt. Du aber bist immer still und selig, als müßte das alles so sein.«
»Es muß auch alles so sein.«
»So? und wie wird es enden?«
»Er wird kommen und wird mich befreien.«
»Nun, Weißlilie! du hast einen starken Glauben. Wären wir daheim im Mauretanierland, und sähe ich dich nachts zu den Sternen
blicken, so sagte ich wohl: du habest das alles in den Sternen gelesen. Aber so! Ich begreife das nicht« – und sie schüttelte
die schwarzen Locken – »ich werde dich nie begreifen.«
»Doch, Aspa! du wirst und sollst«, sprach Mataswintha, sich aufraffend, und zärtlich den weißen Arm um den braunen Nacken
schlingend, »deine treue Liebe verdient längst diesen Lohn, den besten, den ich zu spenden habe.«
In der Sklavin dunkles Auge trat eine Träne.
»Lohn?« sprach sie. »Aspa ward geraubt von wilden Männern mit roten, fliegenden Locken. Aspa ist eine Sklavin. Alle haben
sie gescholten und geschlagen. Du hast mich gekauft,wie man eine Blume kauft. Und du streichelst mir Wange und Haar. Und bist so schön wie die Göttin der Sonne und sprichst von
Lohn?«
Und sie schmiegte das Köpfchen an der Herrin Busen.
»Du bist meine Gazelle!« sagte diese, »und hast ein Herz wie Gold. Du sollst alles wissen, was niemand weiß, außer mir. Höre
also. Ich hatte eine Kindheit ohne Freude, ohne Liebe: und doch verlangte meine junge Seele nach Weichheit, nach Liebe. Meine
arme Mutter hatte einen Knaben, einen Thronerben heiß gewünscht und sicher erwartet:– und mit Widerwillen, mit Kälte und Härte
behandelte sie das Mädchen. Als Athalarich geboren war, nahm die Härte ab, aber die Kälte nahm zu: dem Erben der Krone allein
ward alle Liebe und Sorge. Ich hätte es nicht empfunden, hätte ich nicht in meinem weichen Vater den Gegensatz gesehen: ich
fühlte, wie auch er litt unter der kalten Härte seiner Gattin: und oft drückte mich der kranke Mann mit Seufzen, mit Tränen
an die Brust. Und als er gestorben und begraben war, da war mir alle Liebe in der Welt erstorben. Wenig sah ich Athalarich,
der von andern Lehrern und im andern Teil des Palastes erzogen ward: weniger noch die Mutter: fast nur, wenn sie mich zu strafen
hatte. Und doch liebte ich sie so sehr: und doch sah ich, wie meine Wärterinnen und Lehrerinnen ihre eignen Kinder liebten,
herzten und küßten: und nach gleicher Wärme verlangte mit aller Macht mein Herz.
So wuchs ich heran, wie eine bleiche Blume ohne Sonnenlicht! Da war denn mein liebster Ort in der Welt das Grab meines Vaters
Eutharich im stillen Königsgarten zu Ravenna. Da suchte ich bei dem Toten die Liebe, die ich bei den Lebenden nicht fand:
und sowie ich meinen Wärtern entrinnen konnte, eilte ich dorthin, zu sehnen und zu weinen. Und dies Sehnen wuchs, je älter
ich ward: in Gegenwart der Mutter mußte ich all meine Gefühle zusammenpressen: sie verachtete es, wenn ich sie zeigte.
Und wie ich vom Kind zum Mädchen heranwuchs, merkte ich wohl, daß die Augen der Menschen oft wie bewundernd auf mir ruhten:
aber ich
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