Ein Kampf um Rom
Marmortreppe des stolzen Gebäudes herab, welches von den Großen des Heeres erfüllt war, hielt der König eine schlichte
Ansprache an die Römer.
Er erklärte, daß er auf kurze Zeit die Stadt räumen und zurückweichen werde. Bald aber werde er wiederkehren. Er erinnerte
sie der Milde der gotischen Herrschaft, der Wohltaten Theoderichs und Amalaswinthens, und forderte sie auf, Belisar, falls
er heranrücke, mutig zu widerstehen, bis die Goten zum Entsatz wieder heranrückten: der Römer wieder an die Waffen gewöhnte
Legionäre und ihre starken Mauern machten langen Widerstand möglich. Zuletzt forderte er den Eid der Treue und ließ sie nochmals
feierlich schwören, daß sie ihre Stadt auf Leben und Tod gegen Belisar verteidigen wollten.
Die Römer zögerten: denn ihre Gedanken waren jetzt schon im Lager Belisars, und sie scheuten den Meineid. Da scholl dumpfer
feierlicher Gesang von der Sacra Via her: und an dem flavischen Amphitheater vorbei zog eine große Prozession von Priestern
mit Psalmengesang und Weihrauchschwang heran. In der Nacht war Papst Agapet gestorben, und in aller Eile hatte man Silverius,
den Archidiakon, zu seinem Nachfolger gewählt. Langsam und feierlich wogte das Heer von Priestern heran: die Insignien der
Bischofswürde von Rom wurden vorausgetragen: silberstimmige Knaben sangen in süßen und doch weihevollen Weisen.
Endlich nahte die Sänfte des Papstes: offen, breit, reichvergoldet, einem Schiffe nachgebildet. Die Träger gingen langsam,
Schritt für Schritt, nach dem Takt der Musik, von ringsum drängendem Volk umwogt, das nach dem Segen seines neuen Bischofs
verlangte. Silverius spendete unablässig denselben, mit seinem klugen Haupte rechts und links hin nickend. Eine große Zahl
von Priestern und ein Zug von speertragenden Söldnern schloß die Prozession. Sie hielt inne, als sie in die Mitte des Platzes
gelangt war. Schweigend, mit trotzigen Augen, sahen die arianischen, gotischen Krieger, welche alle Mündungen des Platzes
besetzt hielten, den stolzen, prachtentfaltenden Aufzug der ihnen feindlichen Kirche, indes die Römer die Ankunft ihres Seelenhirten
um so freudiger begrüßten, als seine Stimme ihre Gewissenszweifel wegen des zu leistenden Eides lösen sollte.
Eben wollte Silverius seine Ansprache an das versammelte Volk beginnen, als der Arm eines turmlangen Goten, über die Brüstung
der Sänfte hereinlangend, ihn an dem goldbrokatnen Mantel zog. Unwillig ob der wenig ehrerbietigen Störung wandte Silverius
das strenge Gesicht, aber uneingeschüchtert sprach der Gote, den Ruck wiederholend:
»Komm, Priester, du sollst hinauf zum König.«
Silverius hätte es angemessener gefunden, wenn der König zu ihm heruntergekommen wäre, und Hildebad schien etwas dergleichen
in seinen Mienen zu lesen.
Denn er rief: »’s ist nicht anders! duck dich, Pfäfflein!«
Und damit drückte er einen der die Sänfte tragenden Priester an der Schulter nieder: die Träger ließen sich nun auf die Knie
herab, und seufzend stieg Silverius heraus, Hildebad auf die Treppe folgend. Als er vor Witichis angelangt war, ergriff dieser
seine Hand, trat mit ihm vor, an den Rand der Treppe, und sprach:
»Ihr Männer von Rom, diesen hier haben eure Priester zu eurem Bischof bezeichnet. Ich genehmige die Wahl: er sei Papst, sowie
er mir Gehorsam geschworen und euch den Eid der Treue für mich abgenommen hat. Schwöre, Priester!«
Nur einen Augenblick war Silverius betroffen. Aber sogleichwieder gefaßt, wandte er sich mit salbungsvollem Lächeln zu dem Volk:
»Du befiehlst?« sprach er.
»Schwöre«, rief Witichis, »daß du in unsrer Abwesenheit alles aufbieten wirst, diese Stadt Rom in Treue zu den Goten zu erhalten,
denen sie so viel verdankt; in allen Stücken uns zu fördern, unsre Feinde aber zu schädigen. Schwöre Treue den Goten.«
»Ich schwöre«, sagte Silverius, sich zu dem Volke wendend. »Und so fordre ich, der ich die Macht habe, die Seelen zu binden,
euch, ihr Römer, umstarret rings von gotischen Waffen, auf, im gleichen Sinne zu schwören, wie ich geschworen habe.«
Die Priester und einige der Vornehmen schienen verstanden zu haben und erhoben unbedenklich die Finger zum Schwur. Da besann
sich auch die Menge nicht länger, und der Platz erscholl von dem lauten Ruf: »Wir schwören Treue den Goten.«
»Es ist gut, Bischof von Rom«, sprach der König. »Wir bauen auf euren Schwur. Lebt wohl, ihr Römer! Bald werden wir uns
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