Ein Kampf um Rom
gedrängt. Da blitzte eine Klinge. Einer der Troßknechte, zornig über einen schweren Schlag, zückte ein Messer und sprang den
Gaukler von hinten an. Mit einem Schrei stürzte dieser zusammen: die Feinde über ihn her.
»Auf! reißt sie auseinander! helft dem Armen«, rief Mataswintha den Kriegern zu, welche jetzt von dem verlassenen Tisch der
Goten herankamen, »ich befehle es! die Königin!«
Die Goten eilten nach dem Knäuel der Streitenden: aber noch ehe sie herankamen, sprang der Gaukler, der sich für einen Moment
von allen Feinden losgemacht, hoch aus dem Gewirr und eilte mit letzter Kraft davon, grade auf die beiden Frauen zu – verfolgt
von den Italiern, welche die wenigen Goten nicht aufzuhalten vermochten.
Welch ein Anblick! Seine gallische Tunica hing ihm in Fetzen vom Leibe: ein Stück seiner gelben Haare schleifte am Rücken,
und siehe, unter der gelben Perücke kam schwarzes, glänzendes Haar zum Vorschein, und der weiße Hals verlief in eine bronzebraune
Brust. Mit letzter Kraft erreichte er die Frauen. Da erkannte er Mataswintha.
»Schütze mich, rette mich, weiße Göttin!« schrie er, und brach zusammen vor Mataswinthas Füßen.
Schon waren die Italier heran, und der vorderste schwang sein Messer.– Aber Mataswintha breitete ihren blauen Mantelüber den Gefallnen: »Zurück!« sprach sie mit Hoheit, »laßt ab von ihm. Er steht im Schutz der Gotenkönigin.«
Verblüft wichen die Troßknechte zurück.
»So?« rief nach einer Pause der mit dem Dolch, »straflos soll er ausgehn, der Hund und Sohn eines Hundes? und fünf von uns
liegen am Boden halb tot? und ich habe fortan drei Zähne zu wenig? Und keine Strafe?«
»Er ist gestraft genug«, sagte Mataswintha, auf die tiefe Dolchwunde am Halse deutend.
»Und all das um einen Wurm«, schrie ein zweiter, »um eine Schlange, die aus seinem Ranzen schlüpfte, und die wir mit Steinen
bewarfen.«
»Da seht! er hat die Natter geborgen, da, an seiner Brust. Nehmt sie ihm.«
»Schlagt ihn tot«, schrien die andern.
Aber da kamen zahlreiche Gotenkrieger heran und schafften ihrer Königin Respekt, die Italier unsanft zurückstoßend und einen
Kreis um den Gefallnen schließend. Aspa blickte scharf zu, und augenblicklich sank sie mit gekreuzten Armen neben dem Gaukler
nieder.
»Was ist dir, Aspa? steh auf!« sprach Mataswintha staunend.
»O Herrin!« stammelte diese, »der Mann ist kein Gallier! Er ist ein Sohn meines Volkes. Er betet zu dem Schlangengott! Sieh
hier seine braune Haut unter dem Halse. Braun wie Aspa,– und hier – hier, eine Schrift; Schriftzeichen eingeritzt über seiner
Brust: die heilige Geheimschrift meiner Heimat«, jubelte sie. Und, mit dem Finger deutend, hob sie an zu lesen.
»Der Gaukler scheint verdächtig – Warum diese Verstellung?« sprach Mataswintha. »Man muß ihn in Haft nehmen.«
»Nein, nein, o Herrin«, flüsterte Aspa.
»Weißt du, wie die Inschrift lautet? – Kein Auge als meines kann sie dir deuten.«
»Nun?« fragte Mataswintha.
»Sie lautet«, flüsterte Aspa leise: »›Syphax schuldet ein Leben seinem Herrn, Cethegus, dem Präfecten.‹ Ja, ja, ich erkenne
ihn, das ist Syphax, Hiempsals Sohn, ein Gastfreund meines Stamms: die Götter senden ihn zu uns.«
»Aspa«, sprach Mataswintha rasch, »ja, ihn senden die Götter: die Götter der Rache. Auf, ihr Goten, legt diesen wunden Mann
auf eine Bahre, und folgt damit meiner Sklavin in den Palast! er steht fortan in meinem Dienst.« –
Fünftes Kapitel
Wenige Tage darauf begab sich Mataswintha wieder ins Lager, diesmal nicht von Aspa begleitet. Denn diese wich Tag und Nacht
nicht von dem Bette ihres verwundeten Landsmannes, der unter ihren Händen, ihren Kräutern und Sprüchen sich rasch erholte.
König Witichis selbst hatte diesmal die Königin abgeholt mit dem ganzen Geleit seines Hofes. Denn in seinem Zelte sollte heute
der wichtigste Kriegsrat gehalten werden. Das Eintreffen der letzten Verstärkungen war auf heute angekündet: und auch Guntharis
und Hildebad wurden zurückerwartet mit der Antwort Belisars auf das Friedensanerbieten.
»Ein verhängnisvoller Tag!« sagte Witichis zu seiner Königin. »Bete zum Himmel um den Frieden.«
»Ich bete um den Krieg«, sprach Mataswintha, starr vor sich hin blickend.
»Verlangt dein Frauenherz so sehr nach Rache?«
»Nach Rache nur noch ganz allein – und sie wird mir werden.«
Damit traten sie in das Zelt, welches schon von gotischen Heerführern erfüllt
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