Ein Kampf um Rom
Berge, dessen Fuß der tiefe Nar umspült. Die beiden einzigen Zugänge, vom Osten und vom Westen, sind ein enger Felsenpaß
und die hohe, alte, von Kaiser Augustus gebaute, befestigte Brücke.– Aber die römische Bevölkerung überwältigte die halbe
gotische Hundertschaft, die hier lag, und öffnete den Thrakiern des Bessas die Tore. Dem Constantinus erschlossen sich ebenso
ohne Schwertstreich Spoletium und Perusia.
Auf der östlichen Seite des ionischen Meerbusens hatte inzwischen ein andrer Unterfeldherr Belisars, der Comes Sacri Stabuli
Constantinus, den Tod zweier byzantinischer Heerführer, des Magister Militum für Illyrien, Mundus, und seines Sohnes Mauricius,
welche im Anfang des Krieges bei Salona in Dalmatien im Gefecht gegen die Goten gefallen waren, gerächt, Salona besetzt und
durch ihre große Übermacht die geringen gotischen Scharen zum Rückzug auf Ravenna gezwungen. Ganz Dalmatien und Liburnien
war darauf den Byzantinern zugefallen.
Von Tuscien aus streiften, wie wir sahen, die Hunnen Justinians schon durch Picenum und bis in die Aemilia. Die Friedensvorschläge
des Gotenkönigs hielt Belisar daher für Zeichen der Schwäche. Daß die Barbaren zum Angriff übergehen könnten, fiel ihm nicht
ein. Dabei trieb es ihn, Rom zu verlassen, wo es ihn anwiderte, der Gast des Präfecten zu heißen; im freien Felde mußte sein
Übergewicht bald wieder hervortreten. Der Präfect ließ das Capitol in der treuen Hut des Lucius Licinius und folgte dem Zuge
Belisars. Vergebens warnte er diesen vor allzu großer Zuversicht.
»Bleibe du doch hinter den Felsen des Capitols, wenn du die Barbaren fürchtest«, hatte dieser stolz geantwortet.
»Nein«, erwiderte dieser. »Eine Niederlage Belisars ist ein zu seltnes Schauspiel, man darf es nicht versäumen.«
In der Tat, Cethegus hätte eine Demütigung des großen Feldherrn,dessen Ruhm die Italier allzusehr anzog, gerne gesehn. Belisar hatte sein Heer aus den nördlichen Toren der Stadt geführt
und wenige Stadien vor der Stadt in einem Lager versammelt, es hier zu mustern und neu zu ordnen und zu gliedern. Schon der
starke Zufluß von Italiern, die zu seinen Fahnen geeilt waren, machte es nötig. Auch Ambazuch, Bessas und Constantinus hatte
er mit dem größten Teil ihrer Truppen wieder in dies Lager herangezogen: sie ließen in den von ihnen gewonnenen Städten nur
kleine Besatzungen zurück. Dunkle Gerüchte von einem anrückenden Gotenheer hatten sich in das Lager verbreitet. Aber Belisar
schenkte ihnen keinen Glauben.
»Sie wagen es nicht«, hatte er dem warnenden Prokop entgegnet. »Sie liegen in Ravenna und zittern vor Belisarius.«
Spät in der Nacht lag Cethegus schlaflos auf dem Lager in seinem Zelt. Er ließ die Ampel brennen.
»Ich kann nicht schlafen«, sagte er –: »in den Lüften klirrt es wie Waffen und riecht’s wie Blut. Die Goten kommen. Sie rücken
wohl durch die Sabina, die Via Casperia und Salara herab.«
Da rauschten seine Zeltvorhänge zurück, und Syphax stürzte atemlos an sein Lager.
»Ich weiß es schon«, sagte Cethegus aufspringend, »was du meldest: die Goten kommen.«
»Ja, Herr, morgen sind sie da. Sie zielen auf das salarische Tor. Ich hatte das beste Roß der Königin, aber dieser Totila,
der den Vortrab führt, jagt wie der Wind durch die Wüste. Und hier im Lager ahnt niemand etwas.«
»Der große Feldherr«, lächelte Cethegus, »hat keine Vorposten ausgestellt.«
»Er verließ sich ganz auf den festen Turm an der Aniusbrücke *, aber –«
»Nun? der Turm ist fest.«
»Ja, aber die Besatzung, römische Bürger aus Neapolis, ging zu den Goten über, als sie der junge Totila, der Führer des Vortrabs,anrief. Die Leibwächter Belisars, welche sich widersetzten, wurden gebunden, zumal Innocentius, und Totila ausgeliefert. Der
Turm und die Brücke ist in der Goten Hand.«
* Prokop, Gotenkrieg, I, 17, 18, setzt hier aus Verwechslung den Tiber statt des Anio.
»Es wird hübsch werden! Hast du eine Ahnung, wie stark der Feind?«
»Keine Ahnung, Herr: ich weiß es so genau wie König Witichis selbst. Hier die Liste ihrer Truppen. Sie schickt dir Mataswintha,
seine Königin.«
Cethegus sah ihn forschend an.
»Geschehen Wunder, die Barbaren zu verderben?«
»Ja, Herr, Wunder geschehen! Dies sonnenschöne Weib will ihres Volkes Untergang um des Einen willen. Und dieser Eine ist ihr
Gatte.«
»Du irrst«, sagte Cethegus, »sie liebte ihn schon als Mädchen
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