Ein Kampf um Rom
des Königs ernstes Angesicht.
»Einhundertsechzig Tausendschaften gotische Männer: Belisar, sollen sie vor dir die Waffen strecken, ohne Kampf? Wie lang
braucht ihr noch Rast, um aufzubrechen?«
Da eilte der schwarze Teja ins Zelt. Er hatte beim Eintreten die letzte Frage vernommen. Sein Auge sprühte Blitze, er bebte
vor Zorn.
»Rast? Keine Stunde Rast mehr: auf zur Rache, König Witichis. Ein ungeheurer Frevel ist geschehn, der laut um Rache gen Himmel
schreit. Führ uns sofort zum Kampf!«
»Was ist geschehn?«
»Ein Feldherr Belisars, der Hunne Ambazuch, umschloß, wie du weißt, seit lange mit Hunnen und Armeniern das feste Petra. Kein
Entsatz war nah und fern. Der junge Graf Arahad nur – er suchte wohl den Tod – überfiel mit seiner kleinen Gefolgschaft die
Übermacht; er fiel im tapfersten Gefecht. Verzweifelt widerstand das Häuflein gotischer Männer in der Burg. Denn alles wehrlose
Volk der Goten: Greise, Kranke, Weiber, Kinder, vom flachen Land in Tuscien, Valeria und Picenum war hierhergeflüchtet vor
dem Feind, wohl viele Tausend. Endlich zwang sie der Hunger, gegen freien Abzug die Tore zu öffnen. Der Hunne schwor allen
Goten in der Stadt, ihr Blut nicht zu vergießen. Er zog ein und befahl den Goten, sich in der großen Basilika Sanct Zenos
zu versammeln. Das taten sie, über fünftausend Köpfe, Greise, Weiber, Kinder und ein paar hundert Krieger. Und als sie alle
beisammen –«
Teja hielt schaudernd inne.
»Nun?« fragte Mataswintha, erblassend.
»Da schloß der Hunne die Türen, umstellte das Haus mit seinem Heer und – verbrannte sie alle fünftausend, samt der Kirche.«
»Und der Vertrag?« rief Witichis.
»Ja, so schrien auch die Verzweifelten ihn an durch Qualen und Flammen. ›Der Vertrag‹, lachte der Hunne, ›sei erfüllt: kein
Tropfen Blutes sei vergossen. Ausbrennen müsse man die Goten aus Italien wie die Feldmäuse und schlechtes Gewürm‹. Und so
sahn die Byzantiner zu, wie fünftausend Goten, Greise, Weiber, Kranke, Kinder – König Witichis, hörst du’s? – Kinder! elend erstickten und verbrannten. Solches geschieht, und du – du sendest Friedensboten!
Auf, König Witichis«, rief der Ergrimmte, das Schwert aus der Scheide reißend, »wenn du ein Mann bist,brich jetzt auf zur Rache. Die Geister der Erwürgten ziehn vorauf – Führ uns zum Kampf! zur Rache führ uns an!«
»Führ uns zum Kampf! zur Rache führ uns an!« widerhallte das Zelt vom Ruf der Goten.
Da stand Witichis auf in ruhiger Kraft.
»So soll’s sein, das Äußerste geschah. Und unsere beste Rüstung ist unser Recht: jetzt auf, zum Kampf.«
Und er reichte seiner Königin die Pergamentrolle, die er in der Hand hielt, die über seinem Stuhl hängende Königsfahne, das
blaue Bandum, zu ergreifen.
»Ihr seht das alte Banner Theoderichs in meiner Hand, das er von Sieg zu Sieg getragen. Wohl ruht es jetzt in schlechtrer
Hand, als seine war – doch zaget nicht. Ihr wisset: übermütige Zuversicht ist meine Sache nicht, doch diesmal sag’ ich euch
voraus: in dieser Fahne rauscht ein naher Sieg, ein großer, stolzer, rachefroher Sieg. Folgt mir hinaus. Das Heer bricht auf,
sogleich. Ihr Feldherrn ordnet eure Scharen: nach Rom.«
»Nach Rom«, widerhallte das Zelt. »Nach Rom!«
Sechstes Kapitel
Inzwischen schickte sich Belisar an, mit der Hauptmacht seines Heeres die Stadt zu verlassen: Johannes hatte er deren Bewachung
übertragen. Er hatte beschlossen, die Goten in Ravenna aufzusuchen. Sein bisher von keinem Unfall gehemmter Siegeslauf und
die Erfolge seiner vorausgeschickten Streifscharen, welche durch den Übergang der Italier alles flache Land, auch alle Vesten
und Burgen und Städte, bis nahe bei Ravenna, gewonnen, hatten in ihm die Zuversicht erzeugt, daß der Feldzug bald beendigt
und nur das Erdrücken der ratlosen Barbaren in ihrem letzten Schlupfwinkel übrig sei. Denn nachdem Belisar selbst den ganzen
Süden der Halbinsel: Bruttien, Lucanien, Calabrien, Apulien, Campanien: dann Rom mit Samnium und die Valeria durchzogen und
besetzt hatte, waren seine Unterfeldherrn, Bessas und Constantinus, mit der lanzentragenden Leibwache des Feldherrn, die unter
Führung des Armeniers Zanter,des Persers Chanaranges und des Massageten Aeschman standen, vorausgesendet worden, Tuscien zu unterwerfen.
Bessas rückte vor das sturmfeste Narnia: für die damaligen Belagerungsmittel war die Burgstadt fast uneinnehmbar – sie thront
auf hohem
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