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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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Sie langweilt sich hier aufs tödlichste. Sie brennt
     vor Begierde, in Byzanz nicht nur so manchen Freund wiederzufinden, auch die Feinde ihres Gatten zu verderben.«
    »Eine gute schlechte Frau.«
    »Aber Witichis? Meinst du, er wird eine Empörung Belisars für möglich halten?«
    »König Witichis ist ein guter Soldat und schlechter Psychologe. Ich kenne einen viel schärfern Kopf, der’s doch einen Augenblick
     für möglich hielt. Und du zeigst ihm ja alles schriftlich. Und jetzt gerade, da er von den Franken im Stich gelassen ist,
     geht ihm das Wasser an den Hals – er greift nach jedem Strohhalm. Daran also zweifle ich nicht – versichre dich nur Antoninens.«
     –
    »Das laß meine Sorge sein. Bis Mittag hoff ’ ich als Gesandter in Ravenna einzuziehn.«
    »Wohl – dann vergiß mir nicht, die schöne Königin zu sprechen.«

Neunzehntes Kapitel
    Und mittags ritt Prokop in Ravenna ein. Er trug vier Briefe bei sich: den Brief Justinians an Belisar, die Briefe des Frankenkönigs
     an Cethegus und an Belisar und einen Brief Belisars an Witichis. Diesen letztern hatte Prokop geschrieben, und Cethegus hatte
     ihn diktiert.
    Der Gesandte hatte keine Ahnung, in welcher Seelenverfassung er den König der Goten und seine schöne Königin antraf. Der gesunde,
     aber einfache Sinn des Königs hatte schon seit geraumer Zeit begonnen, unter dem Druck unausgesetzten Unglücks zwar nicht
     zu verzagen, aber sich zu verdüstern. Die Ermordung seines einzigen Kindes, das herzzerfleischende Losreißen von seinem Weibe
     hatten ihn schwer erschüttert – aber er hatte es getragen für den Sieg der Goten. Und nun war dieser Sieg hartnäckig ausgeblieben.
    Trotz allen Anstrengungen war die Sache seines Volkes mit jedem Monat seiner Regierung tiefer gefallen: mit einziger Ausnahme
     des Gefechts bei dem Zug nach Rom hatte ihm nie das Glück gelächelt. Die mit so stolzen Hoffnungen unternommene Belagerung
     von Rom hatte mit dem Verlust von drei Vierteln seines Heers und traurigem Rückzug geendet. Neue Unglücksschläge, Nachrichten,
     die betäubend wie Keulenschläge auf den Helm in dichter Folge sich drängten, mehrten seine Niedergeschlagenheit und steigerten
     sie zu dumpfer Hoffnungslosigkeit. Fast ganz Italien, außerhalb Ravenna, schien Tag für Tag verlorenzugehen.
    Schon von Rom aus hatte Belisar eine Flotte gegen Genua gesendet, unter Mundila, dem Heruler, und Ennes, dem Isaurier: ohne
     Schwertstreich gewannen deren gelandete Truppen den seebeherrschenden Hafen und von da aus fast ganz Ligurien. Nach dem wichtigen
     Mediolanum lud sie Datius, der Bischof dieser Stadt, selbst: von dort aus gewannen sie Bergomum, Comum, Novaria. Andrerseits
     ergaben sich die entmutigten Goten in Clusium und dem halbverfallnen Dertona den Belagerern und wurden gefangen aus Italien
     geführt. Urbinum ward nach tapferm Widerstand von den Byzantinern erobert, ebensoForum Cornelii und die ganze Landschaft Aemilia durch Johannes, den Blutigen: die Versuche der Goten, Ancona, Ariminum und
     Mediolanum wiederzunehmen, scheiterten.
    Noch schlimmere Botschaften aber trafen bald des Königs weiches Gemüt. Denn inzwischen wütete der Hunger in den weiten Landschaften
     Aemilia, Picenum, Tuscien. Dem Pfluge fehlten Männer, Rinder und Rosse. Die Leute flüchteten in die Berge und Wälder, buken
     Brot aus Eicheln und verschlangen das Gras und Unkraut. Verheerende Krankheiten entstanden aus der mangelnden oder ungesunden
     Nahrung. In Picenum allein erlagen fünfzigtausend Menschen, noch mehr jenseits des ionischen Meerbusens in Dalmatien, dem
     Hunger und den Seuchen. Bleich und abgemagert wankten die noch Lebenden dem Grabe zu: wie Leder ward die Haut und schwarz,
     die glühenden Augen traten aus dem Kopf, die Eingeweide brannten.
    Die Aasvögel verschmähten die Leichen dieser Pestopfer: aber von Menschen ward das Menschenfleisch gierig gegessen. Mütter
     töteten und verzehrten ihre neugebornen Kinder. In einem Gehöft bei Ariminum waren nur noch zwei römische Weiber übrig. Diese
     ermordeten und verzehrten nacheinander siebzehn Menschen, welche vereinzelt bei ihnen Unterkunft gesucht. Erst der achtzehnte
     erwachte, bevor sie ihn im Schlaf zu erwürgen vermochten, tötete die werwölfischen Unholdinnen und brachte das Schicksal der
     früheren Opfer ans Licht.
    Endlich scheiterte auch die auf Langobarden und Franken gesetzte Hoffnung. Die letzteren, welche große Summen für das zugesagte
     Hilfsheer empfangen hatten, verharrten

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