Ein Kampf um Rom
sieh mich nicht an so – so wie jetzt und wie heute morgen –«
»Vergib mir, Königin«, sagte Witichis, sich abwendend. »Meine Blicke sollten dich nicht kränken. Ich hatte viel, recht viel
Gram in diesen Tagen. Und wenn ich nachsann, mit welcher Schuld ich all dies Unglück verdient haben könnte« – seine Stimme
wurde weich.
»Dann? o rede!« bat Mataswintha hingerissen. Denn sie zweifelte nicht mehr an dem Sinn seines unausgesprochnen Gedankens.
»Dann hab’ ich, unter all den ringenden Zweifeln, oft auch gedacht, ob es nicht Strafe sei für eine harte, harte Tat, die
ich an einem herrlichen Geschöpf begangen. An einem Weibe, das ich meinem Volk geopfert –«
Und unwillkürlich sah er im Eifer seiner Rede auf die Hörerin. Mataswinthens Wangen erglühten: sie faßte, sich aufrecht zu
halten, nach der Lehne des Stuhles neben ihr. »Endlich – endlich erweicht sein Herz, und ich – was habe ich ihm getan!« dachte
sie, »und
er
bereut. –«
»Ein Weib«, fuhr er fort, »das unsäglich um mich gelitten, mehr als Worte sagen können.« –
»Halt ein!« flüsterte sie so leise, daß er es nicht vernahm.
»Und wenn ich dich in diesen Tagen um mich walten sah, weicher, milder, weiblicher als je zuvor – Dann rührtest du mein Herz
mit Macht: und Tränen drangen in meine Augen.« –
»O Witichis!« hauchte Mataswintha.
»Jeder Ton deiner Stimme sogar drang tief in meine Seele. Denn du mahnst mich dann so ganz, so herzerschütternd an –«
»An wen?« fragte Mataswintha und wurde leichenblaß.
»Ach, an sie, die ich geopfert! Die alles um mich gelitten, an mein Weib Rauthgundis, die Seele meiner Seele.«
Wie lange hatte er den geliebten Namen nicht mehr laut gesprochen! Jetzt überwältigte ihn bei diesem Klang die Macht des Schmerzes
und der Sehnsucht: und in den Stuhl sinkend bedeckte er sein Gesicht mit beiden Händen. Es war gut. Denn so bemerkte er nicht,
wie es blitzähnlich durch die Gestalt der Königin zuckte, ihr schönes Antlitz sich medusenhaft verzerrte. Doch hörte er einen
dumpfen Schlag und wandte sich.
Mataswintha war zu Boden gesunken. Ihre linke Hand klammerte sich in die durchbrochne Rücklehne des Stuhls, an dem sie niedergeglitten
war, während die Rechte sich fest auf den Mosaikboden stemmte. Ihr bleiches Haupt war vorgebeugt, das prachtvoll rote Haar
flutete, losgerissen aus dem Scheitelband, über ihre Schultern: ihre scharfgeschnittnen Nüstern flogen.
»Königin!« rief er, hinzueilend, sie aufzuheben, »was hat dich befallen?«
Aber ehe er sie berühren konnte, schnellte sie wie eine Schlange empor und richtete sich hoch auf:
»Es war eine Schwäche«, sagte sie, »die jetzt vorbei:– leb wohl!«
Wankend erreichte sie die Tür und fiel draußen bewußtlos in Aspas Arme.
Unterdessen hatte sich das unheimliche, drohende Ansehen der ganzen Natur noch gesteigert. Die kleine, rundgeballte Wolke,welche Cethegus am Tage zuvor bemerkt, war der Vorbote einer ungeheuren, schwarzen Wolkenwand gewesen, welche die Nacht über
aus dem Osten aufgestiegen war, jedoch seit dem Morgen unbeweglich, wie Verderben brütend, über dem Meere stand und die Hälfte
des Horizonts bedeckte. Aber im Süden brannte die Sonne mit unerträglich stechenden Strahlen aus dem unbewölkten Himmel.
Die gotischen Wachen hatten Helm und Harnisch abgelegt: sie setzten sich lieber den Pfeilen der Feinde als dieser unleidlichen
Hitze aus. Kein Lüftchen regte sich mehr. Der Ostwind, der jene Wolkenschicht heraufgeführt, war plötzlich gefallen. Unbeweglich,
bleigrau lag das Meer: die Zitterpappeln im Schloßgarten standen regungslos.
Aber in die tags zuvor ebenfalls verstummte Tierwelt war Angst und Unruhe geraten. An dem heißen Sand der Küste hin flatterten
Schwalben, Möwen und Sumpfvögel unsicher, ziellos, hin und her, ganz nieder an der Erde hinstreichend und manchmal schrille
Rufe gellend. In der Stadt aber liefen die Hunde winselnd aus den Häusern: die Pferde rissen sich in den Ställen los und schlugen,
ungeduldig schnaubend, dröhnenden Hufes um sich; kläglich schrien Katzen, Esel und Maultiere, und von den Dromedaren Belisars
rasten und schäumten sich drei zu Tode, in wütenden Anstrengungen, zu entkommen.–
Es neigte jetzt gegen Abend. Die Sonne drohte, alsbald unter den Horizont zu sinken. Auf dem Forum des Hercules saß ein Bürger
von Ravenna auf der Marmorstufe vor seinem Hause. Er war ein Winzer und schenkte, wie der
Weitere Kostenlose Bücher