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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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führen den Blitz der Rache.« Und sie sprang vom Fenster hinweg,– und das Gemach war plötzlich dunkel.
    »Königin   – Herrin – wo bist – wohin bist du verschwunden?« rief Aspa. Und sie tastete an den Wänden. Aber das Gemach war leer: und
     Aspa rief umsonst nach ihrer Herrin.––
    Unten auf der Straße wogte nach der Basilika von Sanct Apollinaris hin ein frommer Zug. Ravennaten und Goten, Kinder und Greise,
     sehr viele Frauen: Knaben mit Fackeln schritten voran, hinter ihnen Priester mit Kreuzstangen und Fahnen. Und durch das Brüllen
     des Donners und durch das Pfeifen des Sturmes scholl die alte, feierlich ergreifende Weise:
    dulce mihi cruciari,
    parva vis doloris est:
    malo mori quam foedari:
    major vis amoris est.
    Die Antwort aber des zweiten Halbchors lautete:
    parce, judex, contristatis
    parce peccatoribus,
    qui descendis perflammatis
    ultor jam in nubibus.
    Und der Bittgang verschwand in der Kirche. Auch die nächsten Aufseher der Kornspeicher schlossen sich dem Zuge an.
    Auf den Stufen der Basilika, gerade der Tür der Speicher gegenüber, saß das Weib im braunen Mantel: still und furchtlos im
     Aufruhr der Elemente, die Hände nicht gefaltet, aber ruhig im Schoß liegend. Der Mann in der Sturmhaube stand neben ihr. Eine
     gotische Frau, die in die Kirche eilte, erkannte sie im Schein eines Blitzes.
    »Du wieder hier, Landsmännin? Ohne Obdach? Ich habe dir doch oft genug mein Haus angeboten. Du scheinst fremd hier in Ravenna?«
    »Ich bin fremd. Doch hab’ ich Obdach.«
    »Komm mit in die Kirche, und bete mit uns.«
    »Ich bete hier.«
    »Du betest? Du singst nicht und sprichst nicht?«
    »Gott hört mich doch.«
    »Bete doch für die Stadt. Sie fürchten, es komme das Ende der Welt.«
    »Ich fürchte es nicht, wenn es kommt.«
    »Und bete für unsern guten König, der uns Brot gibt alle Tage.«
    »Ich bete für ihn.«
    Da tönte der waffenklirrende Schritt von zwei gotischen Runden, die sich an der Basilika kreuzten.
    »Ei, so donnre, bis du springst«, schalt der Führer der einen Schar, »aber brumme mir nicht in meinen Befehl. Haltet an. Wisand,
     du bist’s? Wo ist der König? Auch in der Kirche?«
    »Nein, Hildebad, auf den Wällen.«
    »Recht so, da gehört er hin! Vorwärts, Heil dem König.«
    Und die Schritte verhallten. Da kam ein römischer Lehrer mit einigen seiner Schüler vorbei.
    »Aber, Magister«, mahnte der jüngste, »ich dachte, du wollest in die Kirche? Warum führst du uns sonst aus dem Hause ins Freie
     bei diesem Unwetter?«
    »Das sagte ich nur, um euch und mich aus dem Hause zu bringen. Was Kirche! Ich sage dir, je weniger ich Dächer und Mauern
     um mich weiß, desto wohler ist mir. Ich führ’ euch auf die große, freie Wiese in der Vorstadt. Ich wollte, wir hätten Regen.
     Wäre der Vesuvius nahe genug, wie in meiner Heimat, ich dächte, Ravenna werde heut ein zweites Herculaneum. Ich kenne solche
     Luft, wie sie heute weht – ich traue nicht!«
    Und sie gingen vorüber.
    »Willst du nicht mit mir gehn, Frau?« sprach der Mann in der Sturmhaube zu der Gotin. »Ich muß sehen, Dromon, unsern Gastfreund,
     jetzt zu treffen: sonst kommen wir diese Nacht wieder nicht unter Obdach. Ich kann dich nicht allein lassen im Dunkeln. Du
     hast kein Licht bei dir.«
    »Siehst du nicht, wie mir die Blitze leuchten? Geh nur, ich komme nach. Ich muß noch was zu Ende denken   –, zu Ende beten.«
    Und die Frau blieb allein. Sie preßte beide Hände fest gegen die Brust und sah gegen den schwarzen Himmel: leise nur bewegten
     sich ihre Lippen. Da war es ihr, als sähe sie in denHochgängen, Galerien und Oberhallen des gewaltigen Holzbaus der Speicher, die in dunkeln Massen ihr gegenüber lagen, aus dem
     steinernen Rundbau des Circus ragend, ein Licht auftauchen und hin und wider, auf und abwärts wandeln. Es mußte wohl eine
     Täuschung durch die Blitze sein. Denn jedes frei getragne Licht hätte der Wind in den nach außen offnen Galerien verlöscht.
     Aber nein: es war doch ein Licht. Denn in regelmäßigen Zwischenräumen wechselte sein Aufleuchten und sein Verschwinden, wie
     wenn es hastigen Schrittes entlang den Gängen mit ihren verdeckenden Pfeilern und Halbmauern getragen würde. Scharf sah die
     Frau nach dem wechselnden Licht und Schatten ––
    Aber plötzlich – o Entsetzen – fuhr sie empor. Es war ihr: als sei die Marmorstufe, auf der sie gesessen, ein schlafend Tier
     gewesen, das, plötzlich erwachend, sich leise regte, lebendig wurde – und

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