Ein Kampf um Rom
Witichis. Hörst du’s, wir
hungern!« sprach ein zerlumpter Alter und faßte ihn am Mantel.
»Brot, König!«
»Guter König, Brot!«
»Wir verzweifeln!«
»Hilf uns!«
Und wild drängte sich die Menge um ihn. Ruhig, aber kräftig machte sich Witichis frei.
»Geduldet euch«, sprach er ernst. »Bis die Sonne sinkt, ist euch geholfen.«
Und er eilte nach seinem Gemach. Dort warteten auf ihn mehrere Diener Mataswinthens und ein römischer Arzt.
»Herr«, sprach dieser mit besorgter Miene, »die Königin, deine Gemahlin, ist sehr krank. Die Schrecken dieser Nacht haben
ihren Geist verwirrt. Sie spricht wirre Fieberreden. Willst du sie nicht sehen?«
»Nicht jetzt, sorgt für sie.«
»Sie reichte mir«, fuhr der Arzt fort, »mit größter Angst und Sorge diesen Schlüssel. Er schien sie in ihren Wahnreden ammeisten zu beschäftigen. Sie holte ihn unter ihrem Kopfkissen hervor. Und sie ließ mich schwören, ihn nur in deine Hand zu
geben, er sei von höchster Wichtigkeit.«
Mit einem bittern Lächeln nahm der König den Schlüssel und warf ihn zur Seite. »Er ist es nicht mehr. – Geht, verlaßt mich
und sendet meinen Schreiber.«
Eine Stunde später ließ Prokop den Präfecten in das Zelt des Feldherrn eintreten. Als er eintrat, rief ihm Belisar, der mit
hast’gen Schritten auf und nieder ging, entgegen: »Das kommt von deinen Plänen, Präfect! Von deinen Künsten! von deinen Lügen!
Ich hab’ es immer gesagt: vom Lügen kommt Verderben: und ich verstehe mich nicht drauf! Oh, warum bin ich dir gefolgt! Jetzt
steck’ ich in Not und Schande!«
»Was bedeuten diese Tugendreden?« fragte Cethegus seinen Freund.
Dieser reichte ihm einen Brief. »Lies. Diese Barbaren sind unergründlich in ihrer großartigen Einfalt. Sie schlagen den Teufel
durch Kindessinn; lies.«
Und Cethegus las mit Staunen.
»Du hast mir gestern drei Dinge zu wissen getan: Daß die Franken mich verraten haben. Daß du im Bund mit den Franken das Westreich
deinem undankbaren Kaiser entreißen willst. Daß du uns Goten freien Abzug über die Alpen ohne Waffen anbietest. Darauf habe
ich dir gestern geantwortet, die Goten geben nie ihre Waffen ab und räumen nicht Italien, die Eroberung und Erbschaft ihres
großen Königs: eher fall’ ich hier mit meinem ganzen Heer. So habe ich gestern gesprochen. So spreche ich heute noch, obwohl
sich Feuer, Wasser, Luft und Erde gegen uns empörten. Aber was ich immer dunkel gefühlt, hab’ ich heut nacht unter den Flammen
meiner Vorräte klar erkannt: es liegt ein Fluch auf mir. Um meinetwillen erliegen die Goten. Ich bin das Unglück meines Volks.
Das soll nicht länger also sein. Nur meine Krone versperrte einen ehrenvollen Ausweg: sie soll’s nicht mehr.
Du erhebst dich mit Recht gegen Justinian, den treulosen und undankbaren Mann. Er ist unser Feind wie deiner. Wohlan: stütze
dich, statt auf ein Heer der falschen Franken: auf dasganze Volk der Goten, deren Kraft und Treue dir bekannt. Mit jenen sollst du Italien teilen: mit uns kannst du es ganz behalten.
Laß mich den Ersten sein, der dich begrüßt wie als Kaiser des Abendlands so als König der Goten. Alle Rechte bleiben meinem
Volk, du trittst einfach an meine Stelle. Ich selber setze dir meine Krone auf das Haupt, und wahrlich: kein Justinian soll
sie dir entreißen. Verwirfst du diesen Antrag: so mache dich gefaßt auf einen Kampf, wie du noch keinen gekämpft. Ich breche
dann mit fünfzigtausend Goten in dein Lager. Wir werden fallen. Aber auch dein ganzes Heer. Eins oder das andre. Ich hab’s
geschworen. Wähle.
Witichis.«
Einen Augenblick war der Präfect aufs furchtbarste erschrokken. Rasch hatte er einen forschenden Blick auf Belisar geworfen.
Aber dieser Eine Blick beruhigte ihn wieder ganz.
»Er ist ja Belisar«, sagte er sich abermals. »Aber gefährlich ist es immer, mit dem Teufel spielen. Welche Versuchung! –«
Er gab den Brief zurück und sagte lächelnd:
»Welch ein Einfall! Wozu doch die Verzweiflung führt.«
»Der Einfall«, meinte Prokop, »wäre gar so übel nicht, wenn –«
»Wenn Belisar nicht Belisar wäre«, lächelte Cethegus.
»Spart euer Lachen«, schalt dieser.
»Ich bewundre den Mann. Und es darf mich nicht mehr beleidigen, daß er mich der Empörung fähig hält. Hab’ ich es ihm doch
selber vorgelogen.«
Und er stampfte mit dem Fuß.
»Ratet jetzt und helft! Denn ihr habt mich in diese leidige Wahl geführt. Ja sagen kann ich nicht. Und
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