Ein Kampf um Rom
sag’ ich nein:– darf
ich des Kaisers Heer als vernichtet ansehn. Und muß obendrein bekennen, daß ich die Empörung nur erlogen.«
Cethegus sann schweigend nach, das Kinn mit der Linken langsam streichend. Plötzlich durchblitzte ihn ein Gedanke. Ein Strahl
der Freude flog verschönend über sein Gesicht: »So kann ich sie beide verderben!«
Er war in diesem Augenblick sehr mit sich zufrieden. Aber erst wollte er Belisar ganz sicher machen.
»Du kannst vernünftigerweise nur zwei Dinge tun«, sagte er zaudernd.
»Rede, ich sehe weder eins noch das andre.«
»Entweder wirklich annehmen –«
»Präfect«, rief Belisar grimmig und fuhr ans Schwert.
Prokop hemmte erschrocken seinen Arm.– »Keinen solchen Scherz mehr, Cethegus, so lieb dir dein Leben.«
»Oder«, fuhr dieser ruhig fort, »zum Schein annehmen. Ohne Schwertstreich einziehn in Ravenna. Und – – die Gotenkrone samt
dem Gotenkönig nach Byzanz schicken.«
»Das ist glänzend!« rief Prokop.
»Das ist Verrat!« rief Belisar.
»Es ist beides«, sagte Cethegus ruhig.
»Ich könnte dem Gotenvolk nicht mehr in die Augen sehn.«
»Das ist auch nicht nötig. Du führst den gefangnen König nach Byzanz. Das entwaffnete Volk hört auf, ein Volk zu sein.«
»Nein, nein, das tu’ ich nicht.«
»Gut. So laß dein ganzes Heer Testamente machen. Leb wohl, Belisar. Ich gehe nach Rom. Ich habe durchaus nicht Lust, fünfzigtausend
Goten in Verzweiflung kämpfen zu sehen. Und wie wird Kaiser Justinianus den Verderber seines besten Heeres loben!«
»Es ist eine furchtbare Wahl«, zürnte Belisar.
Da trat Cethegus langsam auf den Feldherrn zu.
»Belisar«, sprach er mit gemütvoller, tief aus der Brust geschöpfter Stimme: »du hast mich oft für deinen Feind gehalten.
Und ich bin zum Teil dein Gegner. Aber wer kann neben Belisar im Feld gestanden sein, ohne den Helden zu bewundern?«
Und seine Weise war so feierlich und salbungsvoll, wie man sie nie an dem sarkastischen Präfecten sah. Belisar war ergriffen,
und selbst Prokop erstaunte.
»Ich bin dein Freund, wo ich es sein kann. Und will dir diese Freundschaft in diesem Augenblick durch meinen Rat bewähren.
Glaubst du mir, Belisarius?«
Und er legte die linke Hand auf des Helden Schulter, bot ihm treuherzig die Rechte, und sah ihm tief ins Auge.
»Ja«, sagte Belisar, »wer könnte solchem Blick mißtrauen.«
»Siehe, Belisar, nie hat ein edler Mann einen mißtrauischeren Herrn gehabt als du.– Der letzte Brief des Kaisers ist die schwerste
Kränkung deiner Treue.«
»Das weiß der Himmel.«
»Und nie hat ein Mann«,– hier faßte er ihn an beiden Händen – »herrlichere Gelegenheit gehabt, das schnödste Mißtrauen zu
beschämen, sich aufs glorreichste zu rächen, seine Treue sonnenklar zu zeigen. Du bist verleumdet, du trachtetest nach der
Herrschaft des Abendlandes. Wohlan, bei Gott: du hast sie jetzt in Händen. Zieh in Ravenna ein, laß dir von Goten und Italiern
huldigen und zwei Kronen auf dein Haupt setzen. Ravenna dein, dein blind ergebnes Heer, die Goten, die Italier – wahrlich,
du bist unantastbar. Justinian muß zittern zu Byzanz, und sein stolzer Narses ist ein Strohhalm gegen deine Macht. Du aber,
der du all dies in Händen hast,– du legst all die Macht und all die Herrlichkeit deinem Herrn zu Füßen und sprichst: ›Siehe,
Justinianus, Belisar ist lieber dein Knecht als der Herr des Abendlands.‹ So glorreich, Belisar, ward Treue noch nie auf Erden
erprobt.«
Cethegus hatte das Herz seines Herzens getroffen.
Sein Auge leuchtete. »Recht hast du, Cethegus, komm an mein Herz, hab’ Dank. Das ist groß gedacht. O Justinian, du sollst
vor Scham vergehn!«
Cethegus entzog sich der Umarmung und schritt zur Türe. »Armer Witichis«, flüsterte Prokop ihm zu; »er wird diesem Musterstück
von Treue aufgeopfert.– Jetzt ist er verloren.«
»Ja«, sagte Cethegus, »er ist verloren, gewiß.«
Und draußen vor dem Zelt warf er den Mantel über die linke Schulter und sprach:
»Aber gewisser noch du selber, Belisar.«
In seinem Quartier trat ihm Lucius Licinius gerüstet entgegen. »Nun, Feldherr«, fragte er, »die Stadt ist noch nicht übergeben.
Wann geht’s zum Kampf?«
»Der Kampf ist aus, mein Lucius. Leg deine Waffen ab und gürte dich, zu reisen. Du gehst noch heute mit geheimen Briefen von
mir ab.«
»An wen?«
»An den Kaiser und die Kaiserin.«
»Nach Byzanz?«
»Nein, zum Glück sind sie ganz nah, in den
Weitere Kostenlose Bücher