Ein Kampf um Rom
auf den hohen Arn, zum Vater, wie ich mir ausgesonnen,– nie hätte ich von dem Gang des Elends hier vernommen. Oder doch viel
zu spät. Aber mich zog die Sehnsucht nach der Todesstätte des Kindes in die Nähe unsres Ehehauses,– das zwar räumte ich –:
wußte ich denn, ob sie nicht, seine Königin, dort einsprechen würde? So hausten wir in der Waldhütte nahe bei Fäsulä. Und
als das Schreckliche kam und eine Nachricht des Mißlingens die andre jagte, und als die Saracenen unserHaus verbrannten und ich die Flammen leuchten sah bis in mein Versteck, da war’s zu spät, nach Norden zum Vater zu entrinnen;
die Welschen sperrten alle Wege und lieferten, was flüchtete mit gelbem Haar, den Massageten aus. Kein Weg blieb offen als
der Weg hieher – nach der Rabenstadt –, wohin ich als sein Weib nie hatte kommen wollen. Als flüchtige Bettlerin kam ich hier an, nur sein Roß Wallada und sein
Knecht, nun sein Freigelassner, Wachis, noch mir eigen und treu. Aber ihm zum Heil – von Gott hiehergezwungen – ob ich schon
nicht wollte –, ihn zu retten, zu befreien von scheußlichem Verrat des eignen Weibes! Und aus seiner Feinde Bosheit. Dank dir, treuer Gott!
Ich durfte nicht mehr mit ihm leben – aber – aber ich,– Rauthgundis! – darf ihn retten.« –
Da rasselte ihr gegenüber die eiserne Hofpforte. Ein Mann mit Licht trat heraus, ging über den Hof und trat alsbald in das
Vorzimmer. Es war der alte Kerkerwart.
»Nun? sprich!« rief Rauthgundis, ihren Sitz verlassend und ihm in das erste Gemach entgegeneilend.
»Geduld – Geduld – laß mich erst die Lampe niederstellen. So! – Nun, also: er hat getrunken. Und es hat ihm wohlgetan.«
Rauthgundis legte die Hand auf die pochende Brust.
»Was tut er?« fragte sie dann.
»Er sitzt immer schweigend in der nämlichen Stellung. Auf dem Holzschemel, den Rücken gegen die Tür gewandt, das Haupt in
beide Hände gestützt. Er gibt mir keine Antwort, sooft ich ihn anspreche. Er pflegte sich sonst gar nicht zu regen. Ich glaube,
der Gram und Schmerz hat ihm was angetan. Aber heute, wie ich ihm den Wein im Holzbecher hinreichte und sprach: ›Trink, lieber
Herr, es kommt von treuen Freunden:‹ – da blickte er auf. So traurig, so zum Sterben traurig war der Blick und das ganze Antlitz.
Und tat einen tiefen Zug und nickte dankend mit dem Haupt und seufzte tief, tief, daß es mir durch die Seele schnitt.«
Rauthgundis bedeckte die Augen mit beiden Händen.
»Weiß Gott, was er Böses mit ihm vorhat!« brummte der Alte leise vor sich hin.
»Was sagst du?«
»Ich sage, du mußt jetzt auch einmal tüchtig essen und trinken. Sonst verlassen dich die Kräfte. Und du wirst sie brauchen,
arme Frau.«
»Ich werde sie haben.«
»So nimm wenigstens einen Becher Wein.«
»Von diesem? Nein, er ist für ihn allein.«
Und sie trat in das innere Gemach zurück, wo sie ihren alten Platz einnahm.
»Der Krug reicht ja noch lang«, fuhr der alte Dromon für sich fort. »Und ich fürchte: wir müssen ihn bald retten, wenn er
gerettet werden soll. Da kommt Wachis. Wenn er nur gute Nachricht bringt, sonst –«
Wachis trat ein. Er hatte seit dem Besuch bei der Königin die Sturmhaube und seinen Mantel mit Gewändern Dromons vertauscht.
»Gute Botschaft bring’ ich«, sprach er im Eintreten. »Aber wo wart ihr vor einer Stunde? Ich pochte vergeblich.«
»Wir waren beide ausgegangen, Wein zu kaufen.«
»Ach ja, deshalb duftet das ganze Gemach so stark – was seh’ ich? Das ist ja alter, köstlicher Falerner! Womit hast du den
bezahlt?«
»Womit?« wiederholte der Alte, »mit dem edelsten Golde der Welt!« Und seine Stimme bebte vor Rührung. »Ich erzählte ihr, daß
der Präfect ihn absichtlich Mangel leiden lasse, daß er elend werde. Seit vielen Tagen hat man mir gar keine Ration für ihn
gegeben. Ich habe ihn, gegen mein Gewissen, nur dadurch erhalten, daß ich den andern Gefangnen an dem Ihren abbrach. Das wollte
sie nicht. Sie sann nach und fragte dann: ›Nicht wahr, Dromon, die reichen Römerinnen bezahlen immer noch das gelbe Haar der
Germaninnen so hoch?‹ Und ich, in meiner Einfalt nichts ahnend, sage ja. Und sie geht hin und schneidet schweigend ihre reichen,
schönen, goldbraunen Flechten und Zöpfe ab und bringt sie mir. Und damit ward der Wein bezahlt.«
Da stürzte Wachis in das nächste Gemach, warf sich vor ihr nieder und bedeckte den Saum ihres Gewandes mit Küssen.
»O Herrin« – rief er
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