Ein Kampf um Rom
sechzig aber mit allem Seevolk und Mundvorrat genommen. Cethegus wollte es nicht glauben. Er sprang
an Bord seines eigenen Schnellrudrers »Sagitta« und flog den Tiber hinab. Aber mit Not entkam er den Schiffen des Königs,
welche bereits den Hafen Portus sperrten und kleine Kreuzer tiberaufwärts schickten.
In höchster Eile ließ nun der Präfect einen doppelten Stromriegel, den ersten aus gekappten Masten, den zweiten aus Eisenketten,
einen Pfeilschuß weiter oben, wieder quer über den Tiber werfen, wie ihn Belisar bei der ersten Belagerung hatte fertigen
lassen. Den Raum zwischen dem unteren, dem Balken-, und dem oberen, dem Eisenriegel, füllte er mit einer großen Zahl kleiner
Boote aus. Schwer empfand Cethegus die volle Wucht jenes Schlages. Nicht nur waren seine heißersehnten Verstärkungen in Feindeshand
gefallen: nicht nur mußte er den ihn verfluchenden Römern, statt der versprochenen Erleichterung, noch schwerere Lasten auflegen:–
denn auch die Flußseite mußte nun gegen die unablässigen Durchbruchsversuche der gotischen Schiffe gedeckt werden –, mit leisemGrauen sah Cethegus unaufhaltbar näher und näher dringen den furchtbarsten Feind – den Hunger.
Die Wasserstraße, auf welcher er, wie früher Belisar, alle Vorräte reichlich zugeführt hatte, war gesperrt. Italien hatte
keine dritte Flotte mehr. Die von Neapolis und die von Ravenna blockierte unter gotischen Wimpeln Rom. Die letzten Reiter
aber, welche Marcus Licinius auf Kundschaft und Fouragierung die flaminische Straße hinaufgeschickt, jagten erschrocken zurück
und meldeten: ein starkes Gotenheer, geführt von dem fürchterlichen Teja, rücke im Eilmarsch heran. Seine Vorhut stehe schon
in Reate.
Tags darauf war Rom auch von der letzten, der Nordseite, her eingeschlossen und beschränkt auf seine eigenen Kräfte: seine
Bürger. Diese aber waren schwach genug, so stark auch die Mauern des Präfecten und sein Mut. Noch durch Wochen, noch durch
Monate hielt des Cethegus eiserner Zwang die Verzagenden gegen ihren Willen aufrecht. Aber schon erwartete man nicht durch
Sturm, durch Hunger den baldigen Fall.
Da trat ein allen unerwartetes Ereignis ein, das die Hoffnungen der Belagerten neu belebte und des jungen Königs Genius und
Glück auf harte Probe stellte: auf dem Kriegsschauplatz erschien noch mal – Belisarius.
Siebentes Kapitel
Als in dem goldenen Palaste der Cäsaren zu Byzanz nacheinander die schlimmen Nachrichten eintrafen von den Niederlagen an
der Padusbrücke und bei Mucella, von der neuen Belagerung Roms, von dem Verlust von Neapolis und des größten Teils von Italien,–
da wurde Kaiser Justinian, der das Abendland schon wieder mit dem Osten vereinigt gesehen, furchtbar aus seinen Träumen geweckt.
Leicht war es damals den Freunden Belisars, den Beweis zu führen: die Abberufung dieses Helden sei der Grund aller Mißerfolge.
Klar lag es vor Augen: solang Belisarius in Italien, Sieg auf Sieg: sowie er den Rücken wandte: Schlag auf Schlag des Unheils.
Die byzantinischen Heerführerin Italien selbst erkannten nun offen an, daß sie Belisar zu ersetzen nicht vermochten.
»Ich vermag nicht«, schrieb Demetrius aus Ravenna, »vor Totila das offene Feld zu halten, kaum diese Festung der Sümpfe zu
behaupten. Neapolis ist gefallen. Rom kann fallen jeden Tag. Sende uns wieder den löwenkühnen Mann, den wir in eitler Überhebung
ersetzen zu können wähnten, der Vandalen und Goten Besieger.«
Und Belisar, obzwar er sich hoch verschworen, nie wieder diesem Kaiser des Undanks zu dienen, hatte alle Unbill augenblicks
vergessen, als Justinianus ihn wieder lächelnd anblickte. Und als er ihn vollends – nach dem Fall von Neapolis – umarmte und
»sein treues Schwert« nannte,– nie hatte er in Wahrheit an seine Untreue geglaubt, nur seine königgleiche Stellung nicht dulden
wollen – da war Belisarius von Antonina und Prokop nicht mehr zurückzuhalten.
Da aber der Kaiser die Kosten scheute einer zweiten Unternehmung gegen Italien, neben denen des Perserkrieges, welchen Narses
glücklich, aber kostspielig, in Asien führte, so gerieten Geldgeiz und Ehrgeiz in seiner Brust in einen Widerstreit, welcher
vielleicht länger gedauert hätte, als der Widerstand von Rom und von Ravenna, wenn ihm nicht Prinz Germanus und Belisar durch
einen gemeinschaftlichen Vorschlag einen Ausweg gewiesen. Den edlen Prinzen trieb die Sehnsucht, Ravenna und das Grab Mataswinthens
zu
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