Ein Kampf um Rom
die letzten Körner fast waren die Getreidevorräte aufgezehrt,
welche er aus Sicilien hatte kommen und auf dem Capitole bergen lassen. Unerhörte Belohnungen verhieß er jedem Schiff, dem
es gelänge, sich mit Vorräten durchdie Flotte des Königs zu stehlen, jedem Söldner, der es wagte, sich durch die Tore und die Zelte der Belagerer hinaus und
mit Mundvorrat zurückzuschleichen.
Die Wachsamkeit Totilas war nicht zu täuschen. Anfangs hatte einzelne goldgierige Waghälse des Präfecten Lohn zur Nacht hinausgelockt.
Als aber Graf Teja jeden Morgen darauf über die Wälle beim flaminischen Tor ihre Köpfe schleudern ließ, verging auch den Begehrlichsten
die Lust.
Teuer wurde das Aas der gefallnen Maultiere verkauft. Um das Unkraut und die Brennesseln, die sie gierig aus den Schutthaufen
rupften, schlugen sich die hungernden Weiber. Der Hunger hatte längst gelehrt, das Uneßbare gierig zu verschlingen. Und nicht
mehr zu zählen waren die Überläufer, welche aus den Häusern, von den Mauern zu den Goten eilten. Teja zwar wollte diese mit
Speerrechen zurückgetrieben wissen in die Stadt, sie desto früher zum Fall zu bringen. Totila aber befahl, sie alle aufzunehmen,
zu speisen und nur darüber fürsorglich zu wachen, daß sie nicht durch plötzliche, maßlose Befriedigung des maßlosen Heißhungers,
wie anfangs oft geschehen war, dem Tode verfielen.
Cethegus verbrachte nun jede Nacht auf den Wällen. In wechselnden Stunden beging er selbst, mit Speer und Schild, musternd
die Wachen, auch wohl eine Schildwache ablösend, welcher Schlaf und Hunger den Lanzenschaft aus der Hand zu lösen drohten.
Solch Beispiel wirkte dann freilich wieder eine Weile ermannend auf die Tüchtigen: begeistert standen auch jetzt die Licinier
und Piso und Salvius Julianus zu dem Präfecten und die blind ergebenen Isaurier. Nicht aber alle Römer: so nicht Balbus, der
Schlemmer.
»Nein, Piso«, sagte dieser einst, »ich halte es nicht länger mehr aus. Es ist nicht in Menschenart. Wenigstens nicht in meiner.
Heiliger Lucullus! Wer hätte das je von mir geglaubt. Ich gab neulich meinen allerletzten, größten Diamanten für einen halben
Steinmarder hin.«
»Ich weiß die Zeit«, lächelte Piso, »da du den Koch in Eisen schmieden ließest, hatte er den Meerkrebs eine Minute zu lang
sieden lassen.«
»O Meerkrebs! Bei der Barmherzigkeit des blassen Heilands! Wie kannst du dies Wort, dies Bild heraufbeschwören! Meine ganze
unsterbliche Seele geb’ ich für eine Schere, ja für den Schweif. Und niemals ausschlafen! Weckt nicht der Hunger, weckt das
Wächterhorn.«
»Sieh den Präfecten an! Seit vierzehn Tagen hat er nicht vierzehn Stunden geschlafen. Er liegt auf dem harten Schild und trinkt
Regenwasser aus dem Helm.«
»Der Präfect! Der braucht nicht zu essen. Er zehrt von seinem Stolz wie der Bär von seinem Fett und saugt an seiner Galle.
Ist ja nichts an ihm als Sehnen und Muskeln, Stolz und Haß! Ich aber, ach, ich hatte so lieblich weißes Fett angehäuft, daß
mich im Schlaf die Mäuschen anbissen: sie hielten mich für einen spanischen Mastschinken. Weißt du das Neueste? Im Gotenlager
ist heute eine ganze Herde feister Rinder eingetrieben worden – lauter apulische: Lieblinge der Götter und Menschen!«
Am andern Morgen früh kam Piso mit Salvius Julianus, den Präfecten zu wecken, der auf dem Wall an der Porta Portuensis lag,
nahe dem gefährdetsten Punkt, dem Stromriegel.
»Vergib, ich störe dich im seltnen Schlaf –«
»Ich schlief nicht. Ich wachte. Melde, Tribun.«
»Balbus ist mit zwanzig Bürgern heute nacht von seinem Posten entflohen. An Seilen haben sie sich herabgelassen an der Porta
Latina. Dort brüllten die ganze Nacht die apulischen Rinder. Ihr Ruf war, scheint’s, unwiderstehlich.«
Aber das Lächeln verging dem Satirenschreiber, als ihn der Blick des Cethegus traf.
»Ein Kreuz, dreißig Fuß hoch, wird errichtet vor dem Hause des Balbus an der Via Sacra. Jeder Überläufer, der wieder in unsre
Hand fällt, wird darangeschlagen.«
»Feldherr,– Kaiser Constantinus hat die Kreuzigungsstrafe abgeschaft, zu Ehren des Heilands«, warnte Salvius Julianus.
»So führ’ ich sie wieder ein, zu Ehren Roms. Jener Kaiser hielt wohl nicht für möglich, daß ein römischer Ritter und Tribun
die Stadt Rom um einen Braten verraten werde.«
»Aber noch mehr! Ich kann die Turmwache nicht mehr bestellenan der Porta Pinciana. Von den sechzehn Legionären
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