Ein Kampf um Rom
Gebieten
des Staatslebens des Königs Gedanken auszuführen: zumal auch die Italier zu schützen wider die Rachsucht der siegreichen Goten.
Denn er hatte eine allumfassende Amnestie vom Capitol herab verkündet: mit Ausnahme eines einzigen Hauptes: des Expräfecten
Cornelius Cethegus Cäsarius. Überall ließ er die zerstörten Kirchen, der Katholiken wie der Arianer, wiederherstellen, überall
die Grundbesitzverhältnisse prüfen, die Steuern neu verteilen und herabsetzen.
Die segensreichen Früchte dieser Mühen blieben nicht aus. Schon seitdem Totila die Krone aufgesetzt und sein erstes Manifest
erlassen, hatten die Italier in allen Landschaften die lang versäumte Feldarbeit wiederaufgenommen. Überall waren die gotischen
Krieger angewiesen, sich jeder Störung hierin zu enthalten, Störungen durch die Byzantiner nach Kräften abzuwehren.
Und eine wundersame Fruchtbarkeit der Gefilde, ein Herbstsegen an Getreide, Wein und Öl, wie seit Menschenaltern unerhört,schien sichtbarlich die Gnade des Himmels für den jungen König zu bezeugen. Die Kunde von der Einnahme von Neapolis und Rom
durchflog das staunende Abendland, welches bereits das Gotenreich in Italien als erloschen betrachtet hatte. Mit dankbarer
Bewunderung erzählten die Kaufleute, welche der kräftige Rechtsschutz, die Sicherung der Landstraßen durch umherziehende Sajonen
und Reitergeschwader, der See durch die immer wachsame Flotte der Goten wieder in die verödeten Städte und Häfen der Halbinsel
zog, von der Gerechtigkeit und Milde des königlichen Jünglings, von dem Flor seines Reichs, von dem Glanze seines Hofs zu
Rom, wo er die aus Flucht und Empörung zurückkehrenden Senatoren um sich versammelte und dem Volke reiche Spendungen und schimmervolle
Circusfeste gab.
Die Könige der Franken erkannten den Umschlag der Dinge: sie schickten Geschenke:– Totila wies sie zurück, sie schickten Gesandte:
Totila ließ sie nicht vor. Der König der Westgoten bot ihm offen Waffenbündnis gegen Byzanz und die Hand seiner Tochter; die
avarischen und sclavenischen Räuber an der Ostgrenze wurden gezüchtigt: mit Ausnahme der wenigen noch belagerten Plätze, Ravenna,
Perusium und einigen kleinen Castellen, waltete Friede und Ruhe im ganzen Gotenreich, wie nur in den goldensten Tagen von
Theoderichs Regiment.
Dabei verlor aber der König die Weisheit der Mäßigung nicht. Er erkannte, trotz seiner Siege, die drohende Überlegenheit des
oströmischen Reiches und suchte ernstlich Friede mit dem Kaiser. Er beschloß, eine Gesandtschaft nach Byzanz zu schicken,
welche den Frieden auf Grund von Anerkennung des gotischen Besitzstandes in Italien anbieten sollte; auf Sicilien, wo kein
Gote mehr weilte,– nie waren die gotischen Siedelungen auf dem Eiland zahlreich gewesen – wollte er verzichten: ebenso auf
die von den Byzantinern besetzten Teile von Dalmatien; dagegen sollte der Kaiser vor allem Ravenna räumen, welches keine Kunst
oder Ausdauer der gotischen Belagerer zu gewinnen vermocht hatte.
Als den geeignetsten Träger dieser Sendung des Friedens und der Versöhnung faßte der König den Mann ins Auge, welcherdurch Ansehen und Würde der Person, durch hohen Ruhm der Weisheit auch im Ostreich getragen, durch Liebe zu Italien und den
Goten ausgezeichnet war – den ehrwürdigen Cassiodor. Obwohl sich der fromme Greis seit Jahren von den Staatsgeschäften zurückgezogen
hatte, gelang es der Beredsamkeit des jungen Königs, ihn zu bewegen, für jenen hohen, gottgefälligen Zweck, die Einsamkeit
seiner Klosterstiftung zu verlassen und die Mühen und Gefahren einer Reise nach Byzanz zu übernehmen. Jedoch unmöglich konnte
er dem alten Mann die Last einer solchen Sendung allein aufbürden: er suchte nach einem jugendkräftigen Gefährten von ähnlicher
Milde christlicher Gesinnung, nach einem zweiten Apostel des Friedens.–
Wenige Wochen nach der Einnahme von Rom trug ein königlicher Bote folgendes Schreiben über die cottischen Alpen in die Provence:
»An Julius Manilius Montanus,
Totila, den sie der Goten und Italier König nennen.
Komm, mein geliebter Freund, komm zurück an meine Brust! Jahre sind verstrichen: viel Blut, viele Tränen sind geflossen: in
Schreck und in Freude hat sich mehr als einmal alles um mich her verwandelt, seit ich dir zum letzten Mal die Hand gedrückt.
Alles hat sich verwandelt um mich her: aber nichts in mir, nichts zwischen dir und mir. Noch verehre ich alle die
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