Ein Kampf um Rom
würdig, Freund. Dafür schenke ich dir eine der neun Musen des Herodot in
meinem Keller,– mein ältester, lauterster, edelster Trank.– Oh, man soll staunen über diese Geheimschrift. Das Unglück ist
nur: ich kann das Äußerste von Mord und Schmutz gar nicht erzählen. Der Ekel brächte mich um. Und man wird schon das, was
ich erzählen kann, für maßlos übertrieben halten. Und was wird die Nachwelt sagen von Prokopius, der ihr einen Panegyrikus,
eine Kritik und eine Klagschrift über Justinian überliefert.«
»Sie wird sagen: er war der größte Geschichtsschreiber, aber auch der Sohn und das Opfer des Kaiserreichs Byzanz. Räche dich,
sie ließ dir deinen gescheiten Kopf und deine linke Hand: Wohlan, deine Linke soll ja nicht wissen, was vordem deine Rechte
schrieb. Zeichne das Bild dieser Kaiserin und ihres Gatten für alle kommenden Geschlechter auf! Dann haben nicht
sie
gesiegt mit ihren Bauwerken, sondern
du
mit deiner Geheimgeschichte. Den maßvollen Freimut wollte sie strafen: nun strafe du sie durch maßlose Enthüllung der Wahrheit.
Jeder rächt sich durch seine Waffe: der Stier durch das Horn, der Krieger durch das Schwert, der Schriftsteller durch die
Feder.«
»Zumal«, sprach Prokop, »wenn ihm nur die Linke blieb. Ich danke und folge deinem Rat, Cethegus: ich werde als Rache für die
Bauwerke die ›Geheimgeschichte‹ schreiben. Aber nun ist das Erzählen an dir. Ich weiß den Gang der Dinge durch Briefe und
mündlichen Bericht der aus Rom Entflohnen oder von Totila freigegebnen Legionäre bis zu der Stunde, da du zuletzt in deinem
Hause gesehen, ja, wie man sagt, in deinem Hause gehört wardst. Erzähle nun, du Stadtpräfect ohne Stadt.«
»Sogleich«, sprach Cethegus. »Sage mir nur noch: wie ging es mit Belisarius weiter in dem letzten Perserfeldzug?«
»Nun, wie gewöhnlich. Das solltest du gar nicht mehr fragen müssen! Belisar hatte die Feinde wirklich geschlagen und war eben
daran, den Perserkönig Chosroës, des Cabades Sohn,zu dauerndem Frieden zu nötigen. Da erschien in seinem Lager Areobindos, der Schneckenprinz, mit einem hinter Belisars Rücken
zu Byzanz bewilligten Waffenstillstand auf ein halbes Jahr. Justinian hatte längst Verhandlungen mit Chosroës angeknüpft:
er brauchte gerade Geld: er stellte sich wieder, als ob er Belisarius nicht traue, und ließ für fünfhundert Zentner Gold den
Perserkönig entschlüpfen, als wir eben das Netz über ihm zusammenschlagen wollten. Narses war klüger. Als der Schneckenprinz
zu ihm kam, auf den saracenischen Teil des Kriegsschauplatzes, erklärte er: der Bote müsse ein Fälscher oder verrückt sein,
nahm ihn gefangen und führte den Krieg fort, bis er die Saracenen völlig geschlagen hatte. Dann schickte er den kaiserlichen
Boten mit einer Entschuldigung nach Byzanz: die beste Entschuldigung aber waren die Schlüssel und Schätze von siebzig Burgen
und Städten, welche er dem Feind während des von Belisar befolgten Waffenstillstands entrissen hatte.«
»Dieser Narses ist –«
»Der größte Mensch der Zeit«, sagte Prokop. »Auch den Präfecten von Rom nicht ausgenommen. Denn er will nicht, wie dieser,
das Unmögliche. – Wir aber, das heißt Belisar und der Krüppel Prokop, wir kehrten, immer grollend und scheltend und immer
pudeltreu und nie gewitzigt, den Waffenstillstand mit Zähneknirschen haltend, nach Byzanz zurück. Und harren nun hier neuer
Aufträge, Lorbeern und Fußtritte. Glücklicherweise hat Antonina ihre Neigungen für Blumen und Verse anderer Männer aufgegeben:
und so lebt denn das Ehepaar, der Löwe und die Taube, ganz glücklich hier in Byzanz. Belisar natürlich Tag und Nacht nur sinnend,
wann er wieder seinem kaiserlichen Herrn seine Treue und Heldenschaft bewähren darf. Justinian ist seine Torheit wie die meine
– Belisar. Nun aber endlich erzähle du.«
Siebentes Kapitel
Cethegus tat einen tiefen Zug aus dem vor ihm stehenden Becher, der in getriebenem Golde einen Turm darstellte. Er war wesentlich
verändert seit jener Nacht zu Rom. Schärfer waren die Furchen an den Schläfen: noch fester geschlossen der Mund: die Unterlippe
herb emporgehoben: seltner spielte jenes ironische Lächeln um die Mundwinkel, das ihn verjüngte und verschönte. Die Augen
waren nun gewöhnlich halb geschlossen. Nur manchmal öffneten sie sich voll, den gefürchteten Blick zu sprühen, der noch grimmiger
durchbohrend traf. Nicht älter, aber eiserner,
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