Ein Kampf um Rom
die Kriegerin eine Träne in den stolzen Augen. Graf Teja, Herzog Guntharis und Herzog Adalgoth geleiteten die
Gäste bis an ihre Boote im Tiber und verweilten, bis sie abgestoßen.
Mit ernstem Blick sah ihnen Teja nach. »Ja, König Frode ist weise«, sagte er. »Aber oft ist die Torheit süßer als die Wahrheit.
Und großartiger. Geh nur voran zum Zelt zurück, Herzog Guntharis. Ich sehe da den Fluß herauf das Botenschiff des Königs eilen.
Ich will sehen, welche Nachricht es bringt.«
»Ich bleibe bei dir, mein Meister«, sprach Adalgoth besorgt, »du siehst so furchtbar ernst. Was hast du?«
»Eine Ahnung, mein Adalgoth«, sprach Teja, den Arm um des Jünglings Nacken schlingend. »Sieh, wie rasch die Sonne sinkt. Mich
schauert. Laß uns dem Botenschiff entgegengehen,– da unten wird es landen, wo die alten, gestürzten Marmorsäulen liegen.«
Totila und Valeria waren nach dem Zelte zurückgewandelt.
»Hat dich bewegt«, frug die Römerin erschüttert, »mein Geliebter, was jener Fremdling sprach? Es war – Guntharis und Teja
haben mir’s erklärt –, es war sehr ernst.«
Aber Totila erhob rasch das nachdenklich gesenkte Haupt.
»Nein, Valeria, es hat mich nicht erschüttert. Des großen Theoderichs großes Werk hab’ ich auf meine Schultern genommen. Der
Traum meiner Jugend, der Gedanke meines Königtums – ich will für ihn leben und sterben. Komm:– wo bleibt Adalgoth, mein Mundschenk?
– Komm, noch einmal tuBescheid mit dem Becher, Valeria – laß mich trinken auf das Glück des Gotenreichs.«
Und hoch erhob er den Pokal. Aber er vermochte nicht, ihn zu Munde führen: denn Adalgoth eilte, laut rufend, die Stufen hinan,
gefolgt von Teja.
»König Totila«, rief jetzt Adalgoth atemlos, »bereite dich, ein Furchtbares zu hören, fasse dich –«
Totila setzte den Pokal nieder und frug erbleichend:
»Was ist geschehn?«
»Dein Botenschiff brachte die Kunde von Ancona her: Der Kaiser hat den Waffenstillstand gebrochen – er hat –«
Da war Teja heran: sein langes, schwarzes Haar flatterte im Winde.– Geisterblaß war sein Antlitz und sein Auge sprühte:
»Auf, König Totila«, rief er, »den Kranz aus dem Haar, und den Helm auf das Haupt! Auf der Höhe von Senogallia, nahe bei Ancona,
hat eine Flotte des Kaisers die unsere, die im Schutz des Waffenstillstandes lag, plötzlich feindlich überfallen. Unsere Flotte
ist nicht mehr. Von unsern vierhundertsiebzig Segeln sind nur elf gerettet. Ein starkes Heer des Kaisers ist gelandet. Und
Feldherr ist –: Cethegus, der Präfect.«
Zwanzigstes Kapitel
In dem Lager Cethegus’, des Präfecten, bei Setinum, am Fuß des Apenninus, wenige Meilen nördlich von Taginä, schritt Lucius
Licinius, der soeben von Epidamnus her zur See eingetroffen war, in eifrigem Gespräch mit Syphax vor dem Zelt des Feldherrn
auf und nieder.
»Mit Schmerzen erwartet dich mein Herr, o Kriegstribun. Schon seit mehreren Tagen. Hocherfreut wird er sein, dich zu finden
im Lager«, sprach der Numider. »Er muß bald zurückkehren von einem Ritt der Kundschaftung.«
»Wohin ritt er?«
»Mit Piso und den andern Kriegstribunen gegen Taginä.«
»Ja, das ist die nächste, feste Stadt der Goten nach Süden zu. Nun aber erzähle mir, kluger Maure, von den letzten Dingen,die zu Byzanz geschahen. Du weißt: mich hatte dein Herr zu den Langobarden auf Werbung geschickt, lange bevor in Byzanz eine
Entscheidung erreicht war. Als ich nun, nach gefahrvoller Reise durch das Land der Langobarden und der Gepiden, bei Novä über
den reißenden Ister wieder glücklich in das Reich Justinians gelangt war, und bei dem Gastfreund in Nikopolis die verabredete
Weisung des Präfecten abholte, die meine weiteren Schritte lenken sollte, fand ich nur den lakonischen Befehl: ihn in Senogallia
zu treffen. Ich staunte. Denn daß er, an der Spitze von Flotte und Heer des Kaisers, als Sieger, den Boden Italiens wieder
beschreiten würde, wagte ich kaum zu hoffen. Von Senogallia her eilte ich eurem Marsche bis hieher nach. Die Heerführer, welche
ich bisher im Lager getroffen, haben mir nun zwar den Lauf der Dinge ungefähr erzählt, bis kurz vor Belisars Verhaftung. Aber
von dem Hergang bei dieser und von den späteren Dingen haben sie offenbar keine genauere Kunde. Du aber –«
»Ja, ich weiß diese Sachen: so gut fast wie mein Herr. Denn ich war selbst dabei.«
»Ist’s möglich? Belisar wirklich ein Verschwörer gegen Justinian? Nie
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