Ein Kampf um Rom
hinein. Da ruht meine Manilia, in der Neuvermählten Tracht, an ihres Vaters Seite, der Bräutigam bei
ihr – und ungezählte Gäste. Manilias bleiches Antlitz, ihre tränenfeuchten Augen seh’ ich – ich sehe, wie Montanus den Arm
um ihren Nacken spannt:– da ergreift mich wahnsinnige Verzweiflung:– ich stürme in den Saal und umschlinge sie und reiße sie
mit mir mit hochgeschwungnem Schwert.
Aber sie waren zu neunzig, die Tapfern: lang erwehrte ich mich ihrer: da traf mich des Balten Alarich Schwert –: und sie rissen
mir die Schreiende aus dem Arm und warfen mich blutend, für tot, über die Gartenmauer nah an dem Tiber. Aber damals, vor bald
sechs Lustra, wie vor Jahr und Tag, hat mich der Hauch des Flußgotts aus der Betäubung des Todes geweckt. Fischer fanden mich,
pflegten mich: ich genas. Aber das Herz war mir aus der Brust gerissen worden jene Nacht.– Und viele, viele Jahre vergingen.
Ich haßte die Welt und ihren Gott, wenn einer lebte.
Und das Geschlecht der Manilier und der Balte Alarichhaben es verspürt, daß ich nicht tot war. Geächtet flohen sie alle aus dem Lande, schwer getroffen von meiner Rache. Nur ein
Bild blieb unvergleichlich, rührend schön, in meiner Seele.–
Und abermals, nach Jahren, kam ich reisend nach Gallien an den Rhodanus. Da war Krieg entbrannt zwischen den Barbaren. Und
Franken und Burgunden waren eingefallen in das Gallien der Goten und hatten eine Villa am Rhodanus zerstört. Und als ich die
gestürzten Säulen des Atriums und den zertretnen Garten betrachtete, lief ein kleiner Knabe aus dem Innenhause und weinte
und rief mich an: ›Hilf, o Herr! denn meine Mutter stirbt!‹«
»O Cethegus«, rief Julius mit schmerzerstickter Stimme.
»Und ich drang in das Haus, das noch dampfte von kaum erloschnem Feuer. Da lag im Frauengemach ein bleiches Weib, einen Pfeil
in der Brust. Und sonst war das Haus leer: die Sklaven waren geflohen oder fortgeschleppt. Und ich kannte die sterbende Frau:
und ihr Kind hieß Julius. Ihr Gatte aber war bald nach deiner Geburt gestorben. Und die Sterbende schlug die Augen auf, da
sie meine Stimme vernahm. Denn sie liebte mich noch immer. Und ich gab ihr Wein und Wasser aus meinem Helm zu trinken. Und
sie trank und dankte und küßte mich auf die Stirn und sprach: ›Habe Dank, Geliebter! sei du meines Knaben Vater: versprich
es mir.‹ Und ich versprach es ihr in die erkaltende Hand. Und küßte sie und schloß ihr die gebrochnen Augen. Und ob ich mein
Wort gehalten an dem Knaben – du magst entscheiden.«
Und der eiserne Mann drückte mit Gewalt die Brust, die mächtig atmende, zusammen. Julius brach in einen Strom von Tränen aus:
»O meine Mutter!« rief er.
Totila aber schritt bewegt in der Rotunde auf und nieder.
Cethegus aber fuhr fort: »Und nun – wähle! Wähle zwischen mir und deinem ›unbefleckten‹ Freund. Aber wisse: die Taten, die
dir nicht gefallen, hab’ ich zumeist für dich getan. Laß mich denn einsam – wende dich von mir:– geh zu ihm: ich halte dich
nicht mehr. Aber wenn mich Manilias Schatten nach dir fragt,werde ich, wahrheittreu, antworten: ›Ein Vater war ich ihm – er mir kein Sohn‹.«
Julius verhüllte sein Haupt im Mantel. Totila aber machte halt vor dem Präfecten und sprach:
»Unväterlich zerfleischest du sein Herz. Du siehst ihn hin- und hergezerrt von widerstreitenden Gefühlen. Auf, ich weiß ein
Mittel, die Wahl ihm zu sparen. Auf, Cethegus, enden wir allein den drohenden Krieg. Ein zweiter Gotenkönig ladet dich zum
Zweikampf. Hier, im Antlitz deines Lieblings, schelt’ ich dich: Lügner, Fälscher, Verräter, Mörder, ehrlosen Neiding. Des
Bruders Blut bluträchend heisch’ ich von dir. Heraus dein Schwert, wenn du ein Mann. Laß uns, um Leben, Rom und Julius fechtend,
in kurzem Kampf den langen Haß vollenden. Verteidige dich.«
Und in wild aufloderndem Haß rissen beide die Schwerter aus den Scheiden: zum zweiten Male kreuzten sich die Klingen. Und
abermals warf sich Julius zwischen die Ergrimmten mit ausgebreiteten Armen.
»Haltet ein, ihr grausamen Männer des Hasses und der Welt. Jeder Streich trift in mein blutend Herz. Hört mich an: gefaßt
ist mein Entschluß. Ich fühl’s: der Geist meiner Mutter gab ihn mir ein.«
Grollend senkten die beiden Feinde die Schwerter, ohne sie einzustecken.
»Cethegus, ein Vater bist du mir gewesen mehr als zwei Jahrzehnte. Was du gefrevelt und getan – nicht dem Sohne ziemt zu
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